Beschreibung der dritten Straßburger Münster-Uhr (1)

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Die dritte Straßburger Münster-Uhr


"Lexikon der Uhrmacherkunst" - Carl Schulte. (Teil 1)


Die neue und dritte Uhr des Straßburger Musters. Die jetzige (1902) astronomische Uhr, siehe Abbildung , wurde am 24. Juni 1838 angefangen und am Sonntag, den 2. Oktober 1842, zum ersten Mal in Gang gesetzt, bei Gelegenheit des zehnten französischen Gelehrtenvereins, welcher damals in Straßburg versammelt war. Die feierliche Einweihung fand am 31. Dezember desselben Jahres statt, wo dem Erbauer zu Ehren ein schönes Nachtfest angeordnet war. Diese Uhr, der man nun eine Himmelskugel beigefügt, ist durchaus die Erfindung Schwilgué's, da von den älteren Werken nichts benutzt werden konnte, außer einigen Figuren, wovon die einen bloß als Verzierungen dienen, während die anderen naturgemäßere Bewegungen erhalten haben.

Die Angaben der alten Uhr, meistens durch Malereien angedeutet, konnten nur für einen kurzen Zeitraum dienen; in der neuen hingegen sind eben diese Angaben vermittels mechanischer, auf ewige Zeiten berechneter Kombinationen verwirklicht. Überdies sind, neben solchen astronomischen Anzeigen, wie sie zu Dasypodius Zeit möglich waren, dem neuen Werke noch mehrere andere, mit dem jetzigen Stande der Wissenschaften übereinstimmende, beigefügt worden. Endlich, um das Andenken der alten, in Elsass populären Uhr zu ehren, sind die verschiedenen Mechanismen so eingerichtet, dass, ungeachtet der vielen Teile, womit das neue Werk vermehrt worden, alles in das alte Gehäuse zusammengefasst werden konnte, ohne dass hierzu irgend eine Abänderung, außer einigen äußeren Verzierungen notwendig geworden ist.

Die Uhr ist mit einem eisernen Gitter und einem hölzernen Gesims umgeben, welche beide, gegen die früheren, in umgekehrter Ordnung aufgestellt sind. Das Gitter, in einfacher jedoch eleganter Form, ist so eingerichtet, dass man von außen ganz bequem die Uhr besichtigen kann, während das Gesims die Himmelskugel schützt und zugleich den nötigen Raum lässt, wenn man das Ganze näher zu beschauen wünscht. Unten am Boden ist die Himmelskugel angebracht, welche auf einem Zifferblatte die Sternenzeit, d.h. die täglichen Bewegungen der Sterne, angibt. Diese aus Kupfer verfertigte und auf 4 schönen metallenen Säulen getragene Kugel ist für die geographische Breite Straßburgs eingerichtet. Alle Sterne der sechs ersten Größen befinden sich auf derselben in ihren wahren und-gegenseitigen Stellungen; sie sind in 110 Konstellationen auf himmelblauem Grunde gruppiert. Um diese Sterne, deren Zahl sich über 5.000 beläuft, leichter zu erkennen, sind die meisten durch griechische Buchstaben unterschieden. Der Globus vollbringt seinen Kreislauf von Osten nach Westen in einem Sternentage. Die Zeit, die von einem Durchgang eines Sternes durch den Meridian bis zum nächsten Durchgange verfließt, bildet die Länge des Sternentages, dessen Dauer ungefähr 3 Minuten 56 Sekunden kürzer ist, als die eines mittleren Sonnentages. In der Bewegung um seine Achse zieht der Globus die Kreise mit sich, die ihn umgeben, nämlich den Äquator, die Ekliptik, den Colurus der Sonnenwenden und den der Nachtgleichen, während die Kreise des Meridians und des Horizonts unbeweglich bleiben, er zeigt demnach den Auf- und Niedergang, wie auch den Durchgang aller dem Auge sichtbaren Sterne durch den Straßburger Mittagskreis. Außer dieser täglichen Bewegung vollbringt die Himmelskugel eine zweite, nämlich die unter dem Namen der Präzession bekannte merkwürdige Erscheinung, wodurch das Vorrücken der Nachtgleichen stattfindet.

Die Äquinoktialpunkte gehen da längst der Ekliptik zurück und beschreiben jährlich einen Bogen von 50,2 Sekunden, so dass nach ungefähr 25.804 Jahren der Frühlingspunkt, nach vollendetem Kreislauf, an seiner früheren Stelle wieder eintrifft. Durch diese merkwürdige Bewegung ändern die Sternenbilder, in Bezug auf den Äquator, ihren Ort am Himmel; sie sind beinahe um 30 ° nach Westen vorgerückt, seit der Verfertigung des ersten bekannten Sternen-Katalogs durch den griechischen Astronomen Hipparch (150 Jahre vor Christi Geburt), so dass der Frühlingspunkt nicht mehr im Widder, sondern im östlichen Ende des Fisches sich befindet. Gerade hinter der Himmelskugel ist ein Kalender angebracht. Auf einem metallenen ringförmigen Kreise sieht man die verschiedenen Angaben eines ewigen Kalenders dargestellt, nämlich die Monate, das Datum, die Sonntagsbuchstaben, die Namen der Heiligen, wie auch alle beweglichen Feste. Dieser Kreis, der 3 Meter im Durchmesser hat, ist beweglich und geht täglich um eine Abteilung vorwärts, indem er den Übergang eines Tages auf den anderen augenblicklich bewirkt. Zur rechten Seite des Kalenders steht Apollo, mit einem Pfeil jeden Tag des Jahres andeutend. Gegenüber und als Gegenstück zu dem Sonnengott erblickt man Diana, die Göttin der Nacht. Diese beiden Statuen rühren von der alten Uhr her, wo sie die nämlichen Stellen einnahmen.

Der Kalender vollendet seinen Lauf in 365 oder 366 Tagen, je nachdem das Jahr ein gemeines oder ein Schaltjahr ist; er bewirkt auch noch die als Säkular-Schaltjahr bekannte Unregelmäßigkeit, indem durch einen eigenen Mechanismus die Auslassung von 3 Tagen in 400 Jahren hervorgebracht wird. Zwischen dem 31. Dezember und dem 1. Januar stehen auf dem Kalender die Worte: "Anfang des gemeinen Jahres", welche Worte an ihrer Stelle so bleiben, so lange die Jahre von 365 Tagen sind; fällt aber ein Schaltjahr ein, so verschwindet das Wort "gemein", und ein neuer Tag schiebt sich in dessen Stelle zwischen den 28. Februar und 1. März; dieser Tag, statt der Benennung eines Heiligen, wird durch den Namen "Schalttag" bezeichnet. Nebst diesen Kombinationen, die in der Uhr keine Grenzen haben, indem sie auf ewige Zeiten berechnet sind, zeigt der Kalender die beweglichen Festtage an, als: Septuagesimä, Aschermittwoch, Palmsonntag, Karfreitag, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten usw. nebst den zwei ersten Quatemberfesten. Auf den Glockenschlag der Mitternachtsstunde des 31. Dezembers versetzen sich diese beweglichen Feste auf jene Tage, an denen sie in dem neuen Jahre zu stehen kommen; dieselben Stellen behalten sie dann bis zum Übergang in das nächstfolgende Jahr. Außer diesen Festen, welche sich nach Ostern richten und die durch den Combut bewirkt werden, zeigt noch der Kalender, vermöge besonderer Mechanismen, andere bewegliche Feste an, nämlich den ersten Sonntag des Advents unter den zwei letzten Quatemberfesten, welche von diesem Sonntag abhängen; er zeigt endlich auch das Fest des heiligen Arborgastus, Patron des Bistums, das immer an einen Sonntage in der letzten Hälfte des Juli gefeiert wird.

In den vier Ecken dieser Abteilung hat der geschickte Künstler, Thomas Stimmer, sehr ausdrucksvolle Figuren gemalt, welche, unter den Gestalten von verschiedenen Kriegern, die vier alten Monarchieen, nach Daniel's Weißagung, darstellen, nämlich: Persien, Assyrien, Griechenland und Rom. Der mittlere Raum des Kalenders ist den Angaben der scheinbaren Zeit, d.h. der verschiedenen Erscheinungen der Sonne und des Mondes, wie wir dieselben am Himmel wahrnehmen, gewidmet. Jedermann weiß, dass die von der Sonne verwendete Zeit, um an den nämlichen Meridian zurückzukommen, oder vielmehr die Zeit, welche von einem Mittage zum anderen verfließt und die auf einer guten Sonnenuhr angegeben wird, nicht für jeden Tag des Jahres dieselbe bleibt. Aus diesem unregelmäßigen Gang erhellt also, dass eine recht präzise Uhr nicht lange mit der Sonne übereintrifft, bald geht sie vor, bald nach. Diese Ungleichheit kann bis auf ungefähr 16 Minuten steigen.

Das Zifferblatt der scheinbaren Zeit ist von einem silbernen Ring umgeben, der die Zahl 1 - 12 mit ihren Unterabteilungen in Minuten trägt, welche also mit den 24 Stunden des astronomischen Tages übereinstimmen. Durch dieses Zifferblatt werden angegeben: a) der Auf- und Niedergang der Sonne, b) die wahre Sonnenzeit, c) der tägliche Lauf des Mondes um die Erde, seine gerade Aufsteigung oder Rektaszension und sein Durchgang im Mittagkreise, d) die Mondesviertel oder Phasen, e) und endlich die Sonnen- und Mondfinsternisse. Der Sonnenauf- und -Niedergang wird vermittels eines beweglichen Horizonts angezeigt, welcher die von der Sonne zu durchlaufende Bahn in zwei Bogen teilt, so dass man das ganze Jahr hindurch die Länge eines Tages und einer jeden Nacht berechnen kann. Auf solche Weise sieht man zu Anfang des Frühlings lind Herbstes die Sonne um 6 Uhr Morgens aufgehen und um 6 Uhr Abends untergehen. Während die Deklination oder Abweichung der Sonne zunimmt, sieht man die Tagesbogen immer größer und die Nachtbogen hingegen immer kleiner werden. Dieser Unterschied wird Tag für Tag zunehmen, bis Juni, wo dann die Sonne ihre größte nördliche Abweichung erreicht und der längste Tag, sowie die kürzeste Nacht, eintreten.


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Weiterführende Informationen

Literatur