Goertz, Hermann

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Ansicht der Goertzuhr im massiven, reich dekorierten Gehäuse

Hermann Goertz wurde am 2. April 1862 in Montauerweide bei Marienwerder geboren, verlor in frühester Jugend seine Eltern und wurde von Verwandten in Berdjansk am Asowschen Meer aufgenommen. Dort erlernte er zunächst als Stellmacher und Zimmermann die Holzbearbeitung und anschließend, einem nachdrücklichen Interesse folgend, das Uhrmacherhandwerk. Als Uhrmacher arbeitete er zunächst in Odessa und anschließend etwa 25 Jahre in Charkow. Dort war er, neben anderen Aufgaben, mit der Pflege der Präzisionsuhren und ähnlicher Instrumente der Universitäts-Sternwarte betraut. Im Dezember 1918 konnte Goertz nach Deutschland zurückkehren und durfte soviel von seinem Besitz mitnehmen, daß er mehrere Jahre in Glashütte leben und seine Uhr an der damaligen Uhrmacherschule fertigstellen konnte. Der Baubeginn kann jedoch gemäß der Signatur auf der Rückseite des Sekundenzifferblattes mit 1892 angegeben werden. Goertz hatte die Uhr ursprünglich nicht in dem Umfang geplant, in dem sie letzten Endes ausgeführt wurde. Anregungen zur Erweiterung der ursprünglichen Konzeption erhielt er von Fachlehrern der Uhrmacherschule. Vermutlich entstand auf diese Weise der ganze untere Teil des Werkes mit den drei Zifferblättern unterhalb des Hauptzifferblattes. Die Uhr wurde 1925 durch Goertz selbst fertiggestellt, und nachdem sie auf verschiedenen Ausstellungen der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden war, erhielt sie ihren endgültigen Platz in der Glashütter Uhrmacherschule. Nach zunächst vergeblichen Bemühungen, das Objekt zu verkaufen, wurde sie 1928 vom Sächsischen Staat für 15.000 Reichsmark aus dem Künstlerhilfe-Fonds angekauft; zusätzlich erhielt Goertz eine lebenslängliche Rente von jährlich 2.000 Reichsmark. Nach Fertigstellung der Kunstuhr baute er im Auftrag der Uhrenfabrik Lange und Söhne noch zehn oder zwölf Präzisionspendeluhren in höchster Vollendung, die er jedoch nicht mehr alle fertigstellen konnte. In diese Uhren konnte er aber die von ihm konstruierten Glocken- und Klauen-Schwerkrafthemmungen einbauen und erproben. In den letzten acht Jahren seines Lebens war er halbseitig gelähmt und lebte im Altersheim in Aue, wo er am 27. Dezember 1944 starb und beerdigt wurde. Daß sein großes Werk trotz der Kriegseinwirkungen bis in unsere Gegenwart erhalten und am Ort seiner Vollendung geblieben ist, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sicher wurde auch erwartet, daß sich gerade an der Glashütter Bildungseinrichtung immer wieder geeignete und fähige Fachleute finden würden, die in der Lage sind, diese Uhr mit der entsprechenden Sachkenntnis zu betreuen bzw. in bestimmten Zeitabständen zu überholen.

Zitiert aus:
Fritsch/Friebel
Die Glashütter Kunstuhr von Hermann Goertz
Uhren und Schmuck, 1984, S. 179/180
VEB Verlag Technik Berlin