Rechenmaschinenfabrik Archimedes

Aus Watch-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

(siehe auch: Fischer und Pöthig)

Produktionsgebäude um 1935 auf der Altenberger Straße in Glashütte

Glashütter Hersteller von mechanischen Rechenmaschinen

Vorgeschichte

Geschäftsanzeige Juni 1905

Der Feinmechaniker Constantin Fischer gründete 1890 eine Werkstatt für Präzisionsuhrmacherei und Fein­mechanik in Glashütte. 1899 stieß der Mechaniker Reinhold Pöthig dazu und es gründete sich die Fa. "Fischer & Pöthig". nach einem Konkursverfahren verließ 1900 Fischer die Firma und Pöthig war Alleininhaber. Er stellte bis 1907 weiterhin feinmechanische Teile und Werkzeuge her und führte Handel und Reparaturen von Fahrrädern und Nähmaschinen aus. Da er als Mechaniker bei Arthur Burkhardt von 1895 bis 1896 angestellt war, kannte er sich mit dem Rechenmaschi­nenbau besstens aus.

Glashütter Rechenmaschinenfabrik Archimedes, Reinhold Pöthig

Hauptstraße 7 in Glashütte um 1930. (Im Erdgeschoss befanden sich die Werkräume. Das 1. OG war von Familie Pöthig belegt, weiterer Wohnraum war an Mitarbeiter vermietet.
Geschäftsanzeige um 1933

Pöthig hatte eigene Ideen entwickelt, um den Bau von Rechenmaschinen zu verbessern. Diese ließ er sich patentieren. Ab 1904 entwickelte er eine eigene Staffelwalzenmaschinen und benannte sie nach dem berühmten griechischen Mathematiker. Schon zu Beginn war Pöthig bedacht, eine Minimierung und Vereinheitlichung der Bauteile anzustreben, um eine vielfältige Modellpalette aufzubauen und diese zu marktgerechten Preisen anbieten zu können. Gemeinsam mit Paul Renner, welcher als treuer Mitarbeiter Pötig zur Seite stand, produzierte man die ersten eigenen Rechenmaschinen. Die Anzahl der Mitarbeiter stieg bis 1906 auf sieben an. 1907 erfolgte der Schritt von der Werkstattfertigung zur industriellen Fertigung durch Errichtung des neuen Firmengebäudes auf der Hauptstraße 7, welches bis 1924 als Betriebssitz genutzt wurde. Um 1910 waren bereits 35 Mitarbeiter in Beschäftigung. Ab 1912 firmierte man unter dem Namen "Glashütter Rechenmaschinen-Fabrik Archimedes, Reinhold Pöthig". Die schweren Zeiten von Weltwirtschaftskriese und Inflation überstand die Firma durch eine angepasste moderne Fertigungstechnologie und blieb konkurrenzfähig. 1923 erfolgte eine wesentliche Vergrößerung des Produktionsgebäudes durch einen gigantischen Neubau auf der Altenberger Straße. Ende der 1920er Jahre waren schließlich 150 Arbeiter und Angestellte in dieser Rechenmaschinenproduktion integriert.
Zu jener Zeit beteiligte sich Hans Sabielny (1882-1965), ein weiterer Pionier der Rechenma­schinengeschichte. Er übernahm ab 1915 den Vertrieb der Rechenmaschinen, beginnend im Inland, später weltweit. Mit ausgefeilten Verkaufsmethoden und guten Kenntnissen über die Kundenwünsche begann der Absatz anzusteigen. Sabielny beschäftigte sich auch mit der Konstruktion der Maschinen, so erfand er Umbaumöglichkeiten für aktuelle Maschinen und brachte innerhalb kürzester Zeit neue Modelle auf den Markt (Archimedes E, F und DEaD, alle mit elektrischem Antrieb). Die Schreibweise "ArchimedeS" deutete ab 1927 auf die Mitarbeit von Sabielny hin.
Jedoch kam es zwischen Sabielny und Pöthig zu Unstimmigkei­ten, worauf 1932 die Trennung erfolgte. Als Verkaufsleiter und Prokurist stieg 1934 Ulrich Eichler, der Schwiegersohn Pöthigs, in die Firma ein. Einen neuen Chefkonstrukteur erhielt die Rechenmaschinenfabrik 1936. Wilhelm Kiel (1896-1970) leitete erst in Leipzig und später kurze Zeit auch in Glas­hütte die Fabrikation der "Cordt-Triplex"-Rechenmaschinen. Während seiner Zeit entstanden wegweisende Maschinen. Bis Ende der 1930er Jahre war die Archimedes eine der größten Firmen in Glashütte mit ca. 400 Arbeitern.
Der II.Weltkrieg entzog der Firma viele männliche Arbeitskräfte und unter dem Befehl 124 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland wurde auch die Fa. Archimedes im Sommer 1945 demontiert. Pöthig wurde enteignet, blieb aber als kommisarischer Treuhänder im Haus.
Sein Schwiegersohn Eichler und der Chefkonstrukteur Kiel setzten sich nach Bayern ab. Sie fanden bei der Fa. "Heinrich Diehl, Nürnberg" eine Anstellung, damit kam auch diese Firma an die Lizenzen der Rechenmaschinenfertigung aus Glashütte. Die Lizenznahme bei Archimedes hatte neben technischen Gründen auch verkaufsstrategische Vorteile. Viele Jahre nutzten die Diehl-Maschinen das weltbekannte Archimedes-Firmenlogo. Bis zur Einstellung der Fabrikation von Staffelwalzenmaschinen 1965 war die Fa. Diehl damit wirtschaftlich erfolgreich und die Archimedes-Maschinen wurden zur höchsten Reife weiterentwickelt.

VEB Archimedes Rechenmaschinenfabrik Glashütte/Sachsen

ehemaliges Produktionsgebäude im Jahr 2009 (Nutzung durch die Fa. Lange Uhren GmbH)

Nach der Demontage 1945 verblieb das Werk Archimedes bis Juli 1948 in Treuhand unter Leitung von Ulrich Eichler und Karl Voigt. Nach dessen Weggang war Reinhold Pöthig noch kommisarischer Treuhänder, bis der Betrieb im Mai 1950 enteignet wurde. 1951 in Volkseigentum überführt, erhielt die Firma einen neuen Namen "VEB Archimedes Rechenmaschinenfabrik Glashütte/Sachsen". Der Neubginn nach dem II. Weltkrieg war mühsam und verlangte, wegen der katastropha­le wirtschaftliche Situation, viel Mut von den Verantwortlichen. Eine Abwanderung von Fachleuten in den Westen trug nicht zur Verbesserung der Lage bei. Zum Jahresende 1946 wurden die ersten fünf Probemaschinen fertiggestellt und somit der Grund­stein für den Neuaufbau dieses Industriezweiges gelegt. Langsam lief die serienmäßige Fertigung wieder an. Einen großen Anteil daran hatte der neue Chefkonstrukteur Hellmut Hänsgen. Nun wurden wieder Vorkriegsmodelle gefertigt mit neuer Produktbezeichnung. Weitere konstruktive Verbesserungen wurde an den Maschinen vorgenommen. 1960 verließ die letzte Archimedes-Staffelwalzenmaschine Glashütte. Im Anschluss wurden bis 1991 Teile für die Schreibmaschinenindustrie hergestellt.

Produkte

Rechenmaschine Typ LVM um 1938

Die Rechenmaschinen bekamen die Bezeichnungen "Archimedes A und B". Nach den ersten zwei Modellen kam ab 1913 die "Archimedes C" und "D" auf den Markt. Diese Maschinen hatten nur noch ein Gewicht von sieben Kilogramm und die Ablesbarkeit des Ergebnisses konnte durch enger stehende Zahlen verbessert werden. Die Tradition dieser Modellbezeichnungen wurde fortgesetzt, so dass von 1904 bis 1960 folgende Buchstaben genutzt wurden: A, B, C, D, E, F, G, H, K, L, M, N, P.
In den 1920er Jahren durch den Einfluss von Sabielny wurden neue Modelle mit elektrischem Antrieb hergestellt (Archimedes E, F und DEaD). Nach dem II. Weltkrieg wurden die Vorkriegsmodelle "H", "L" und "GEM" gefertigt, allerdings unter neuen Produktbezeichnungen „NEL 15" oder "PEM", welche konstruktive Verbesserungen erhielten (1952 - "NEL18" - kegelförmige Ziffernräder; "PEM" - Ausführung als Schnellautomat mit 500 U/min). Eine letzte Entwicklung war die "PA-18" im Frühjahr 1959 als Vollautomat mit Multiplikation über eine Tastatur.
Innerhalb der knapp 60 Jahre Rechenmaschinenfertigung wurden 42 Maschinentypen entwickelt und produziert und somit ca. 85.000 Exemplare hergestellt. Der Verkauf erfolgte in 27 Länder, nach dem II. Weltkrieg hauptsächlich nach Frankreich und in die CSSR.

Weiterführende Informationen


Literatur

  • Spuren der Zeit, Deutsches Uhrenmuseum Glashütte, 2010
  • Glashütte/Sachsen 1506 bis 2006 , 500 Jahre Stadtgeschichte, Herausgeber: Stadtverwaltung Glashütte, ISBN 3-937951-31-8
  • ArchimedeS, Die Geschichte einer Rechenmaschinenfabrik, Schmid/Eichler/Hänsgen, 2016, ISBN 3-930060-11-6
  • ArchimedeS/Diehl, Vom Arithmometer zum druckenden Rechensystem, Harald Schmid, 2014, ISBN 3-930060-10-8


Externe Links