Benutzer:Anwalt
Hallo an alle User dieser Seite.
bevor Mißverständnisse aufkommen: Ich bin kein Anwalt! Ich hab auch keine Ahnung von Familienrecht, Scheidungen und Erbschaftsrecht! Meine Freunde in Berlin (dort wohne ich) und Tübingen (dort hab ich meine Lehre absolviert) haben mir diesen Spitznamen gegeben weil ich oft als Streitschlichter fungiert habe. Uhren sind mein Hobby, keine Gerichtstermine.
Aber juristische Stilblüten sind mein Hobby.
Hier ein Beispiel im Namen des Volkes, Aktenzeichen 11 K 647/12, Verwaltungsgericht Dresden, Richter Rottmann. In diesem Verfahren wird ein Zeuge der Verzögerung eines Strafverfahrens beschuldigt und durch den Richter Rottmann mit folgender Begründung schuldig gesprochen, weil in dieser Strafsache weitere Zeugen gehört werden mussten:
... Da er der einzige Zeuge (Anmerkung: Es gab zwei Zeugen, der zweite Zeuge hatte lt. Ermittlungsakte mehr erkannt.) war, der den Angeklagten am 7.2.2011 „sicher“ als Fahrer des Kfz erkannt hatte, musste das Amtsgericht (Anmerkung: Meißen) die von dem Kläger vorgebrachten Gründe für sein ungewöhnliches Aussageverhalten im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit näher aufklären. Insoweit musste die Hauptverhandlung am 10.1.2012 unterbrochen werden, damit im neuen Termin am 30.1.2012 weitere Zeugen aus dem Polizeirevier (Anmerkung: Coswig) zu den vom Kläger vorgebrachten Umständen befragt werden konnten. Das sich das Strafverfahren dadurch verzögert hat, ist nicht von der Hand zu weisen. ...
Folgt man dem Urteil des Richters Rottmann, kann sich ab nun jeder Zeuge auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen (für den deutschen Zivilprozess lt §§ 383 ZPO ff. und für den deutschen Strafprozess lt. §§ 52 StPO) mit dem Hinweis, dass man juristisch wegen der Verzögerung eines Strafverfahrens belangt werden kann, wenn aufgrund einer Zeugenaussage weitere Zeugen geladen werden müssen.
Herzlichen Glückwunsch für ihre kluge Entscheidung, Herr Rottmann.
Interessant dabei ist, das der ursprüngliche Vorwurf der Verzögerung eines Strafverfahrens auf einem komplett anderem Sachverhalt basiert. Da dieser aber auf Grund der Aktenlage nicht haltbar war, bediente sich Richter Rottmann der o.g. Interpretation.
Hier das Original. Niedergeschrieben von Herrn Harry Kallaus am 10. Februar 2012:
... Am 7. Februar 2011 stellten Sie und ein weiterer Angehöriger der Sächsischen Sicherheitswacht auf dem dem Weg zum Dienst eine Straftat fest. Sie sahen einen Fahrzeugführer, von dem beide wussten, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist. Dieser Sachverhalt wurde den diensthabenden Polizeibeamten im Polizeirevier Coswig-Radebeul mitgeteilt. Er wurde als Verstoß gegen § 21 StVG aufgenommen.
In der Folge lehnten Sie es wiederholt ab, gegenüber der Polizei als Zeuge auszusagen. Als Begründung gaben Sie an, dass Sie wegen eines gleichen Sachverhaltes eine Anzeige durch eien Dienstvorgesetzten erhielten. Auch nach mehrmaliger Erläuterung der Rechtslage durch verschiedene Beamte des Polizeireviers Coswig-Radebeul änderten Sie Ihre Meinung nicht. Insbesondere wurden Sie darauf hingewiesen, dass ihre Tätigkeit bei der Sächsischen Sicherheitswacht auch das Feststellen und Bezeugen von strafrechtlich relevanten Sachverhalten umfasst.
Ihre Weigerung hatte zur Folge, dass die Ermittlungen verzögert und erschwert wurden.
Der Verurteilte begründete seine Verweigerung der Aussage damals wie folgt:
Ich bin ausweislich den Vorschriften der StPO verpflichtet als Zeuge vor der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht auszusagen. Der Grund, warum ich von diesem Recht Gebrauch gemacht habe, liegt darin, dass ich bei dieser Anzeige als Anzeigenerstatter geführt wurde, obwohl ich keine Anzeige erstattet habe.