Präzise, präziser, RICHARD LANGE „Pour le Mérite“
Präzise, präziser, RICHARD LANGE „Pour le Mérite“
Glashütte, Januar 2009
Die dritte Lange-Armbanduhr mit Antrieb über Kette und Schnecke setzt die Tradition der ganz auf die präzise Zeitmessung ausgerichteten Beobachtungsuhren fort. Mit dieser uhrmacherischen Rarität und einem dreiteiligen Email-Zifferblatt kann sie auf berühmte historische Vorbilder verweisen.
Eine begehrte Rarität war die Uhr der wissenschaftlichen Eliten schon immer: das Taschenchronometer. Es entstand bei A. Lange & Söhne um 1880, als Richard Lange, der älteste Sohn des Firmengründers und technische Leiter des familiären Betriebs, der Präzisionsuhrmacherei bereits wichtige Impulse gab. Insgesamt wurden nur etwa 30 dieser Ausnahmeuhren gefertigt. Jetzt erlebt das Chronometer mit Antrieb über Kette und Schnecke eine Wiedergeburt – als exklusives, ganz auf mechanische Präzision angelegtes Zeitmessinstrument für das Handgelenk. Ohne Zusatzkomplikationen, reduziert auf diesen einen Zweck. Ihr Name: RICHARD LANGE „Pour le Mérite“.
Nach dem TOURBILLON in der ersten Kollektion und dem 2005 vorgestellten TOURBOGRAPH trägt auch diese RICHARD LANGE die Auszeichnung „Pour le Mérite“. Bei Lange ist sie außergewöhnlichen Komplikationen vorbehalten, wie dem Antrieb über Kette und Schnecke. Sie bezieht sich auf den 1842 von dem großen Entdecker Alexander von Humboldt initiierten Verdienstorden, der noch heute bedeutenden Wissenschaftlern und Künstlern verliehen wird. Aber man könnte dieses Prädikat auch als Ehrung für die Väter der sächsischen Feinuhrmacherei sehen. Wie Richard Lange, der die Uhrmacherei mit zahlreichen Erfindungen bereicherte. Allen voran die 1930 patentierte, noch heute gebräuchliche Stahl-Nickel-Legierung für Unruhspiralen, die erst durch die Beimischung von Beryllium weitgehend temperaturstabil und magnetfeldresistent wurden.
Die RICHARD LANGE „Pour le Mérite“ ist das zweite Mitglied einer Uhrenfamilie, die sich der Suche nach der noch präziseren Zeitmessung verschrieben hat. Bereits die erste Uhr dieses Namens war ganz auf Genauigkeit und klare Gestaltung ausgerichtet – eine außergewöhnliche, große Dreizeigeruhr in der Tradition wissenschaftlicher Beobachtungsuhren. Auch bei der Neuen misst das Gehäuse aus Platin oder Rotgold 40,5 Millimeter im Durchmesser, was der Ablesbarkeit zugute kommt. In puristischer Übersichtlichkeit erstrahlt das dreiteilige weiße Email-Zifferblatt mit schmalen schwarzen römischen Ziffern für die Stunden und kleinen roten arabischen Ziffern für 15, 30, 45 und 60 Minuten. Für jedes der drei Teilzifferblätter sind 30 langwierige Arbeitsgänge erforderlich, um am Ende ein vollendetes Uhrenzifferblatt in Email herzustellen. Vor diesem Hintergrund heben sich die klassischen gebläuten Stahlzeiger kontrastreich ab. Auf ein Fenster, das den Kette-Schnecke-Mechanismus von vorne sichtbar machen könnte, wurde bewusst verzichtet. Nichts soll davon ablenken, die präzise ermittelte Zeit auf einen Blick zu erfassen.
Effektiver als ein Tourbillon
Auch die zweite RICHARD LANGE richtet also das Augenmerk ihres Trägers auf den Sinn allen uhrmacherischen Strebens: größtmögliche Präzision. Dahinter steckt eine geniale Konstruktion – der Antrieb über das bereits im 15. Jahrhundert unter anderem von Leonardo da Vinci genutzte Prinzip von Kette und Schnecke. Über ihn schrieb G.H. Baillie in seinem Standardwerk “Watchmakers and Clockmakers of the World“, dass „wahrscheinlich kein Problem in der Mechanik jemals so einfach und perfekt gelöst wurde“. Die Realisierung des filigranen Mechanismus in den Dimensionen eines Armbanduhrwerks stellt allerdings höchste Anforderungen an Know-how und Geschicklichkeit und ist daher heute weit seltener als das Tourbillon. Gleichwohl ist es in einer Armbanduhr wesentlich effektiver. Denn es hebt den größten Nachteil des Federaufzugs – den unvermeidlichen Drehmomentverlust – durch intelligente Anwendung der Hebelgesetze auf.
Der Antrieb über Kette und Schnecke kompensiert die abnehmende Federkraft und hält das effektive Drehmoment über die gesamte Gangdauer konstant. Dazu wird der Antrieb, den sonst das Federhaus allein übernimmt, auf zwei Bauteile verteilt: das Federhaus und die daneben angeordnete konische Schnecke. Beide Bauteile verbindet eine feine Kette, die im Fall der RICHARD LANGE „Pour le Mérite“ aus 636 Einzelteilen besteht. Sie ist einerseits am breiten unteren Ende der Schnecke, auf der anderen Seite an der Außenfläche des Federhauses eingehängt. In den Kegel der Schnecke ist eine Nut eingedreht, die – wie ein spiralförmiger Weg auf die Spitze eines Berges – zur schmalsten Stelle der Schnecke führt. Wird die Uhr aufgezogen, wickelt sich die Kette von der Außenwand des Federhauses ab und legt sich um die Schnecke, bis sie – um im Bild zu bleiben – am Gipfel des Berges angelangt ist. Der Radius der Schnecke – also der Hebel – ist in diesem Zustand klein, das Drehmoment der Feder hingegen groß. Je mehr sich die Feder nun wieder entspannt, desto geringer wird ihre Kraft. Doch beim Abwickeln der Kette von der Schnecke wird der Hebel – der wirksame Radius der Schnecke – immer größer, und zwar in genau dem gleichen Maße, wie die Federkraft abnimmt. Das Drehmoment an der Welle der Schnecke bleibt konstant. Und damit auch die Amplitude der Unruh.
Ein uhrmacherisches Kunstwerk
Das aufwändige System kann indes nur dann einwandfrei funktionieren, wenn drei zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden: Es bedarf einer Vorrichtung, die den Aufzug der Uhr blockiert, kurz bevor sie voll aufgezogen ist, um ein Reißen der Kette zu verhindern. Dazu wird die vertikale Bewegung der Kette zur Betätigung eines ausgeklügelten Hebelsystems benutzt, welches das Sperrrad im richtigen Moment blockiert. Des Weiteren wird ein Mechanismus benötigt, der das Werk anhält, bevor es vollständig abgelaufen ist. Diese Aufgabe übernimmt ein umfunktioniertes Gangreserverad, das einen Stopphebel steuert. Nach exakt 36 Stunden fällt der Hebel in eine Aussparung des Rads und schwenkt unter Federkraft mit seinem langen Ende in den Wirkungskreis eines speziell geformten Fingers, der auf der Sekundenradwelle sitzt und diese beim Auftreffen auf den Hebel blockiert. Der Sekundenzeiger bleibt dabei auf der Nullposition stehen. Schließlich braucht es noch eine Konstruktion, die sicherstellt, dass der Antrieb der Uhr auch beim Aufziehen nicht unterbrochen wird. Ein aufwändiges Planetengetriebe sorgt im Innern der Schnecke dafür, dass die Kraftübertragung von der Schnecke auf das Uhrwerk auch beim Aufziehen aufrechterhalten bleibt. Die interessantesten technischen Details wie die Kette, der Blockiermechanismus und das Sperrrad, unter dem sich die Schnecke samt Planetengetriebe befindet, sind durch Aussparungen in der fein dekorierten Dreiviertelplatine sichtbar.
Wieweit es die Konstrukteure bei ihrem Streben nach Präzision getrieben haben, zeigt ein weiteres Detail: Um die Eigenschaften der Aufzugsfeder und der Schnecke in ein optimales Verhältnis zu bringen, lässt sich der 36-stündige Arbeitsbereich der Aufzugsfeder über ein sogenanntes Vorspannsperrrad auf dem Federhaus vom Service-Uhrmacher mit einem bei Lange gefertigten Spezialschlüssel in Richtung eines höheren oder niedrigeren Drehmoments einstellen. Eine Klinke fixiert die Einstellung. Die Vorrichtung ist leicht zugänglich auf der Dreiviertelplatine angeordnet.