Martin, Christian (2)

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(siehe auch: Martin, Christian)

Kunstuhr Christian Martin

Deutscher Uhrmacher

Christian Martin wurde 1835 Irmenach bei Zell geboren.

Carl Schulte schreibt über ihn:

Christian Martin war ein hervorragender Mechaniker in Villingen (Schwarzwald), baute in jüngster Zeit, obwohl derselbe von Hause aus, kein gelernter Uhrmacher ist, sondern die Tischlerei und Mühlenbauerei erlernt hat und in der Kunst-Uhrmacherei Autodidakt ist, eine komplizierte Kunstuhr, welche als ein vorzügliches Produkt deutschen Gewerbefleißes bezeichnet werden darf. Die Uhr, von der die Abbildung Nr. 111 nur das Zifferblatt darstellt, ist 3 m 2 cm hoch, 2 m 72 cm breit und 55 cm tief, das polierte Gehäuse ist in gotischen Stil gehalten. Das Werk zeigt die Sekunden, Minuten, Viertelstunden, Tage, Wochen, Monate, die vier Jahreszeiten, die Jahre und Schaltjahre bis zum letzten Glockenschlage des Jahres 99999 der christlichen Zeitrechnung an; es sieht genau die Zeit an auf jeder gewünschten Breite der nördlichen und südlichen Erdhälfte, zusammen mit den Mondphasen, und vermittelt die verschiedensten nützlichen Mitteilungen, die man gewöhnlich im Kalender findet.

Als Meisterstück Christian Martin's muss aber die reiche Anzahl beweglicher Figuren bezeichnet werden, welche auf das menschliche Leben, das Christentum und die antike heidnische oder alte deutsche Mythologie Bezug haben. Der Tod ist nach Holbein's Totentanz als Skelett dargestellt. Dort erscheinen die 12 Apostel, hier sind die 4 Altersstufen des Menschen, nach der Shakespeare'schen Beschreibung modelliert, es erscheinen die vier Jahreszeiten, die 12 Zeichen des Tierkreises etc. Während der Nacht springt ein Nachtwächter hervor und bläst auf seinem Horn die Stunde, geht aber die Sonne auf, so erscheint der Hahn, und kräht ihr fröhlich entgegen. Auch der Kuckuck ruft, aber nur zweimal im Jahr - am ersten Frühlings- und am ersten Sommertage. Außer den Figuren ist eine ganze Reihe von beweglichen Gemälden in Email vorhanden, welche nacheinander die 7 Schöpfungstage und die 14 Stationen der Kreuzigung darstellen.

Zu einer bestimmten Stunde läutet ein kleiner Sakristan die Glocke im Turm, 'ein Greis kniet nieder und faltet die Hände zum Gebet; und zu allem spielt das Musikwerk, dessen Töne flötengleich und außerordentlich wohllautend sind. Das merkwürdige Zifferblatt der Abbildung ist 1 m 40 cm hoch und 2 m 38 ½ cm breit; es ist seiner Breite nach in 7 Abteilungen geteilt, deren jede fünf übereinanderstehende Arbeitsfelder enthält. In der 4. Abteilung befindet sich in der Mitte das Normalzifferblatt unserer Zeit mit der Einteilung in Stunden, Minuten und Sekunden; im 2. Felde darunter schlägt die Figur auf der vor ihr stehenden Glocke jede Minute an, die Glocke ertönt also 60 Mal in der Stunde. Die Viertelstunden werden von den zwei Figuren des 3. Feldes in der 3. Abteilung derart angezeigt, dass die Figur zur Linken die Glocke anschlägt, während die zur Rechten mit ausgestreckter Hand auf der drehbaren Viertelscheibe stets das geschlagene Viertel weist. In dem untersten Felde derselben Abteilung wechseln mit dem Viertelstundenschlage vier Personen, welche die vier Menschenalter: Kind, Jüngling, Mann und Greis vertreten; in der Illustration ist der Jüngling zu sehen. Die vollen Stunden werden von dem in der 5. Abteilung auf dem 3. Felde zur Linken sichtbaren Tode inngeschlagen, während der ihm gegenüberstehende Schutzengel beim jedesmaligen Erscheinen des Kindes, Jünglings und Mannes dem Tode beide Arme entgegenstreckt und dem-selben die Zeichen des Friedens und der christlichen Religion weist.

Nach dem vollendeten Stundenschlag erscheinen auf dem ovalen Felde über dem Normalzifferblatt die zwölf Apostel und verneigen sich; sie stellen symbolisch die Auferstehung dar. In der Abbildung erblicken wir auf diesem Felde den die Wache haltenden Cherub. Beim Vorüberziehen der Apostel segnet die im Felde darüber befindliche Christusfigur jeden einzelnen derselben mit beiden Händen, das jenseitige Gericht symbolisierend. Das Datum wird auf dem 2. Felde der 3. Abteilung durch den Zeiger auf dem Zifferblatt angezeigt, wobei der Mechanismus so reguliert ist, dass alle Schaltjahre bis 99999 berücksichtigt sind und die Uhr stets das richtige Datum weist. In dem Felde über diesem Zifferblatte erscheinen die Wochentage, dargestellt durch Apollo = Sonntag, Diana = Montag, Mars = Dienstag, Merkur = Mittwoch, den wir gerade in dem betreffenden Felde erblicken, Jupiter = Donnerstag, Freya = Freitag und Saturn = Sonnabend. Die Monate werden auf dem Zifferblatt der 5. Abteilung angezeigt, und gleichzeitig mit dem Wechsel der Monate erscheinen die verschiedenen Zeichen des Tierkreises in dem Felde über diesem Zifferblatt; auf der Abbildung stehen die Fische. In dem untersten Felde derselben Abteilung kommen und gehen die vier Jahreszeiten, einander ablösend zur Zeit der Solstitien und Äquinoktien.

Den Frühling und den Sommer leitet der Kuckuck auf dem 4. Felde der 7. Abteilung mit je dreimaligem Rufe ein. Die fünf durch die 3 Felder der 6. und 7. Abteilung sich hinziehenden Zifferscheiben zeigen in ihren zu oberst stehenden Zahlen das laufende Jahr, während die mit ihnen in der 1. und 2. Abteilung korrespondierenden Zifferscheiben das nächste Schaltjahr in derselben Weise angeben; hier sehen wir die Zahl 0, 1888, dort 0, 1887. In dem 4. Felde der 3. Abteilung und demselben Felde der 5. Abteilung ist die nördliche und südliche Erdhälfte dargestellt, auf deren 24 ständigen Zifferblättern die Zeit auf jedem Breitegrade abgelesen werden kann. Die Mondkugel befindet sich in der 4. Abteilung unter dem Normalzifferblatt und bringt, zur Hälfte vergoldet, zur Hälfte schwarz, genau die Mondphasen zur Erscheinung. Die Nachstunden werden regelrecht von einem Nachtwächter geblasen, der im 4. Felde der 2. Abteilung von 10 - 4 Uhr Nachts allstündlich sein Horn gravitätisch an die Lippen setzt. Ihn löst 4 Uhr Morgens der Hahn auf dem 4. Felde der 1. Abteilung ab, indem er dreimal mit den Flügeln schlägt und mit weit aufgesperrtem Schnabel sein kräftiges Kikeriki dem jungen Morgen entgegen kräht. Bei der Scheidestunde des Jahres bläst pünktlich um Mitternacht auf dem 4. Felde der 6. Abteilung ein schmucker Jäger auf seinem Horn ein lustig Stücklein zur Begrüßung des neuen Jahres. Die Tagesarbeit wird wie im Leben, so auch hier durch Glockengeläute geregelt, welches der auf dem untersten Felde der 1. Abteilung stehende Glöckner um 6 Uhr früh und Abends, und 12 Uhr Mittags besorgt, wobei jedesmal der im daneben befindlichen Felde der 2. Abteilung stehende Greis niederkniet und die Hände naturgetreu zum Gebet faltet.

Mit dem letzten Glockenschlage erhebt er sich wieder, und sofort beginnt der Drehorgelmann im untersten Felde der 6. Abteilung seinen Leierkasten zu drehen, der in zarten Flötentönen liebliche Weisen erklingen lässt. Begleitet wird diese Musik von Zeit zu Zeit durch die Glockentöne des auf dem Feld rechts daneben stehenden Mannes, der zugleich in nicht mißzuverstehender Weise einen Teller dem verehrlichen Beschauer hinhält, dessen etwaige Gaben er mit geübtem Schwunge in seine Kasse gleiten lässt. Mittags um 12 Uhr wechseln in den ersten Feldern der 1., 2., 6. und 7. Abteilung die 14 Stationen des Leidens Christi, in-dem gleichzeitig mit ihnen die in den zweiten Feldern der 1. und 7. Abteilung sichtbaren Darstellungen der Erschaffung der Welt (in sieben Bildern) sich ablösen und beim jedesmaligen Wechsel der linksseitigen Bilder der Engel auf dem 2. Felde der 2. Abteilung mit seinem Hammer viermal auf die Glocke schlägt, während für die Bilder auf der rechten Seite dasselbe Geschäft der Engel auf dem 2. Felde der 6. Abteilung mit drei Schlägen besorgt; der erstere ist an den vier ersten Tagen, der letztere an den drei letzten Tagen der Woche in Tätigkeit. Die unter dem Normalzifferblatte in der Mitte zu beiden Seiten der Mondkugel befindlichen 15 Knöpfe dienen zum Regulieren des Werkes. (1902)

Weiterführende Informationen

Literatur