Paul Biber, Berufliche Qualifizierung und Einstieg in die Deutschen Uhrmacher Schule Glashütte, bis zur Ausbau der Abteilung Feinmechanik an der DUS

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Paul Biber, Berufliche Qualifizierung und Einstieg in die Deutschen Uhrmacher Schule Glashütte, bis zur Ausbau der Abteilung Feinmechanik an der DUS


Einstieg in die Deutschen Uhrmacher Schule

Im Sommer 1921 las Paul Biber eine Annonce der Deutschen Uhrmacher Schule (DUS) Glashütte und bewarb sich als „Praktischer Lehrer“ für die Abteilung Feinmechanik. Durch Wahl vom 5. August 1921 wurde der Mechanikermeister Paul Biber als Fachlehrer der feinmechanischen Werkstätten der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte probeweise für ein Jahr, beginnend mit dem 15. September 1921, angestellt. Biber sah in dieser Anstellung eine Perspektive und fühlte sich für dieses Aufgabenspektrum berufen. Um sich langfristig für diese Herausforderung fit zu machen besuchte er per „Einschreibbogen für Hospitanten“ im Sommersemester 1921 an der Technischen Hochschule Dresden ausgewählte Vorlesungen einschließlich Übungen wie beispielsweise zur „Gewerbehygiene“ oder zu „Psychologische Berufseignungs-Prüfungen“ In dieser Zeit vollzog sich an der Technischen Hochschule Dresden gerade die Etablierung einer hochschulmäßigen Ausbildung von Berufspädagogen - fundiert „mit der Gründung des Pädagogischen Instituts 1924 und der Berufung von Richard Seyfert [1] als Direktor. Auch die Fachrichtung Maschinenwesen erhält an diesem Institut ihre institutionelle Heimat. Seyfert erkennt klar die Bildungsfunktion der Technik und die Bildungsmotivation durch Arbeit, Technik und Beruf.“ [2]

Paul Biber bemühte sich zunehmend diese neuen Aspekte sehr gezielt in seine berufspädagogischen Unterrichtskonzepte zu integrieren, um so das technische Interesse sowie die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schüler zu entwickeln. Beispielgebend für die damalige Zeit war, dass Paul Biber seine Schüler dazu befähigte hochwertige Messmittel für ihre spätere Tätigkeit selbst herzustellen. Auch in fachlicher Hinsicht strebte Paul Biber nach Vertiefung seiner Fachkompetenz. So stellte er sich den Prüfungsanforderungen zum „Techniker auf dem Gebiet der Feinmechanik und Optik“ und bestand diese Prüfung am 28. September 1922 mit „vorzüglich“. Auch weitere Patente von Paul Biber wurde anerkannt. Auf Initiative der Stadt wurden unter Mitwirkung des DUS-Lehrkörpers Pläne für den Umbau der Schule ausgearbeitet. Auf Drängen von Paul Biber wurde die feinmechanische Abteilung von 60 m² auf 300 m² erweitert. Am 15. September 1923 konnte das neue Gebäude zur Nutzung übergeben werde. Für sein Engagement erhielt der Bürgermeister von den Schülern aus den Abteilungen Feinmechanik und Uhrmacherei eine ganz besondere Uhr.

Gewerbelehrerprüfung

Inspiriert durch seine Tätigkeit mit den Schülern sowie sein Interesse für die Gestaltung von Lernprozessen und damit für Fragen der Didaktik und Methodik bereitete sich Paul Biber gezielt darauf vor und stellte sich ehrgeizig wie er war – obwohl er eine Festanstellung hatte - den Herausforderungen der neuen Gewerbelehrer-Verordnung vom 8. April 1922. Erfolgreich meistert Paul Biber im Juni 1925 die sehr umfangreiche Gewerbelehrerprüfung und durfte sich nun „Staatlich geprüfter Gewerbelehrer in der Fachrichtung Metallgewerbe“ nennen. Damit hatte er sich ausgezeichnetes Rüstzeug für ein erfolgreiches Wirken als Ausbilder und Fachlehrer an der DUS erworben. Von Seiten der Schulleitung hatte er einen klaren Auftrag erhalten: Er sollte seine Schüler in der Ausbildung mit fundierten Berufswissen und praktischen Können in der Feinmechanik ausstatten und sie dazu befähigen, vollwertige Gehilfen und Meister zu werden. So bemühte sich Paul Biber darum, die Ausbildung in der Feinmechanik von der ausschließlichen Fertigung schülereigener Arbeiten auf das Einbeziehen einer beschränkten Auswahl produktorientierter, lehrplangerechter Arbeiten umzustellen. Dies hatte als Besonderheit zum Ziel, mit den Schülerprodukten erweiterte Ausbildungsmöglichkeiten in der Schule zu schaffen und zugleich festigendes produktives Arbeiten zu ermöglichen. So fertigte Paul Biber mit seinen Schüler entsprechend ihrem jeweiligen Ausbildungsstand viele nützliche Dinge (Anreißnadeln, Körner, Vorrichtungen, Maschinen) zum Nutzen der Schüler und der Schule. Da Paul Biber neben der Ausbildung in der Werkstatt auch verantwortlich war für den Theorieunterricht und die Vermittlung der Inhalte zu technischen Objekten und Verfahren nur mit Kreide und Stimme nicht ganz einfach war, suchte er nach Möglichkeiten der Veranschaulichung. So baute er mit seinen Schülern über die Jahre eine Vielzahl von Unterrichtsmitteln für das Fachzeichnen, die Werkstofftechnik, zum Durchführen von Werkstoffprüfungen, zum Demonstrieren des Aufbaus und der Funktionsweise von Maschinen einzelner Fertigungsverfahren und des Aufbaus und der Funktionsweise wesentlicher Baugruppen der Feinmechanik sowie zum Absolvieren einfacher elektrotechnischer Schülerexperimente. Diese Modelle waren vielfach Eigenentwicklungen, aber auch genehmigte Nachbauten.

Ausbau der Abteilung Feinmechanik an der DUS

Mit der Umsetzung der neuen Ausbildungsmöglichkeiten, die der Erweiterungsbau der Deutschen Uhrmacherschule in Glashütte eröffnete, ist es Paul Biber gelungen die Abteilung Feinmechanik flächenmäßig wesentlich zu erweitern und mit modernen Maschinen sowie unterschiedlichen Fertigungsmöglichkeiten auszustatten. Dadurch war es dem Lehrpersonal gut möglich die Schüler der Feinmechanik wie auch der Uhrmacher in eine breite Palette an Fertigungsverfahren einzuweisen als auch deren fachkompetente Anwendung bei der Herstellung recht unterschiedlicher Artefakte zu betreuen und zu vervollkommnen. Durch die Eigenfertigung von Kleinmaschinen sowie von Zusatzeinrichtungen zur Erweiterung von Fertigungsmöglichkeiten auf den Maschinen der Dreherei und Fräserei wurden die Ausbildungsmöglichkeiten wesentlich erweitert. Die Abteilung Feinmechanik entwickelte sich dadurch, neben der durch den Spezialisten Alfred Helwig geführten Abteilung Uhrentechnik sowie unter Leitung des fachkompetenten und motivierenden Direktors Dr. Karl Giebel, zur zweiten Säule der hervorragenden Ausbildung an der Deutschen Uhrmacherschule. Die gute Ausbildung in der Abteilung Feinmechanik drang auch nach außen und erregte Interesse. Paul Biber kam der Anfrage der „Zeitschrift für Feinmechanik und Präzision“ nach und stellte sein Ausbildungskonzept gespickt mit vielen Schülerarbeiten vor [3]. Das ausgesuchte Lehrpersonal der DUS ermöglichte eine sich ständig weiterentwickelnde fortschrittliche Ausbildung an der DUS mit einer steigenden Anzahl an Berufs- und Meisterschülern. So konnte sich der Lehrkörper zusammen mit den Lernenden jährlich auf der großen Eingangstreppe der DUS mit Stolz präsentieren (siehe Abb. 72 bis 74). Zur 50-Jahrfeier der Deutschen Uhrmacherschule (DUS) Glashütte am 28. April 1928 erschien eine Festschrift, in der zu lesen ist: „Im September 1921 trat dann Herr P. Biber aus Dresden ein, in dem wir einen technisch hervorragend begabten, didaktisch geschickten und unermüdlich tätigen Leiter dieser Abteilung gefunden haben.“ Paul Biber setzte sich dafür ein, den Lernenden gesicherte allgemeine Grundlagen der Feinmechanik zu vermitteln. „So ergab sich von selbst als Ausbildungsgebiet: Schneid- und Meßwerkzeuge, Instrumenten- und Apparatebau, Vorrichtungs- und Kleinmaschinenbau, wobei die Erziehung zu rationeller Maschinenarbeit wichtig ist.“ [4]

Das Einhalten der kleinen Toleranzen beim Fertigen feinmechanischer oder uhrentechnischer Bauteile und deren Funktionieren nach dem Zusammenbau erforderte neben dem Feingefühl für die Fertigung eine Befähigung zum richtigen Umgang mit Messtechnik. Deshalb bemühte sich Paul Biber besonders um das Vermitteln von Kenntnissen und das Ausprägen beruflichen Könnens zu unterschiedlichen Möglichkeiten des maßlichen und nichtmaßlichen Prüfens von Bauteilen. Ganz in diesem Sinne baute Paul Biber mit seinen Schülern unterschiedliche Messmittel, um zu demonstrieren, wie sie funktionieren und für welche Prüf-(Mess-)aufgaben sie geeignet sind. Hier blieb er aber nicht stehen. Seine Schüler der Feinmechanik durften (mussten), je nach Ausbildungsstand verschiedene Messmittel wie Messwinkel und Stellwinkel, Kegelmessgerät, Messschieber auch mit Anreißspitzen, Bügelmessschraube/Schraubenmikrometer selbst herstellen. Besonders die Fertigung der einzelnen Bauteile für das Schraubenmikrometer stellte enorme Anforderungen an die berufliche Leistungsfähigkeit der Schüler in Einheit von Berufswissen und Berufskönnen und somit an den Ausprägungsgrad der beruflichen Kompetenzen jedes einzelnen Schülers. damit diese nach dem Zusammenbau auch funktionierten und das Schraubenmikrometer auch die geforderte Genauigkeit erzielt. Andererseits waren seine Schüler für solche Arbeiten bestens motiviert: Sie durften all diese bei Paul Biber geschaffenen Messmittel und Arbeitsmittel, die sie für ihre spätere berufliche Tätigkeit benötigten, wie Messschieber, Winkelmesser, Schraubenmikrometer, Anschlagwinkel, Anreißnadel, Körner oder Hammer mit nach Hause nehmen.

Um den sich wandelnden fachlichen und berufspädagogischen Belangen der Ausbildung von zukünftigen Feinmechanikern und Uhrmachern sowie deren Meistern zu entsprechen bemühter er sich sowohl um die Teilnahme an Ferienkursen des Unterrichtsministerium und der Wirtschaftskammer als auch um Betriebspraktika. So absolvierte er in vielen Sommer- und Winterferien mehrwöchige Praktika in Firmen wie Gebr. Seck (Gießerei/Schmiedeberg), Gebr. Thiel (Schnitt- und Stanzenbau/Ruhla), Carl Zeiss Jena (Fräserei), Elektro-Siebmann (elektrische Maschinen/Dresden), Askania-Werke (Flugzeug-Bordgeräte/Berlin), Optische Werk in Rathenow. Die sich mit der Zeit entwickelten vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten für die Bereiche Mechanik und Uhrmacherei in der Abteilung Feinmechanik – die mit großem Engagement von Paul Biber durch die selbst gefertigten Maschinen, Vorrichtungen, Prüfmittel und Lehrmittel einen völlig neuen Ausstattungsgrad erreicht hatte – wurden zur Festveranstaltung zur 50-Jahrfeier der Deutschen Uhrmacherschule am 28. April 1928 und in der Festschrift eindrucksvoll demonstriert.


Quelle

  1. Richard Seyfert, Wikipedia
  2. Grottker/Biber/Hartmann (2010): Berufsschullehrerausbildung in Dresden. In: Biber/Böttcher/ Hartmann/Schubert (Hrsg.): Lehrerbildung für berufsbildende Schulen an der TU Dresden. Diese zusätzlichen Aktivitäten und sein Engagement an der Deutschen Uhrmacherschule sprachen für eine erfolgreiche Absolvierung der „Probezeit“ und führten zu einer Festanstellung als „Fachlehrer und Werkstattleiter der Feinmechanischen Abteilung“ an der DUS“. Diese Tätigkeit an der DUS schloss eine nebenamtliche Tätigkeit an der hiesigen Gewerbeschule ein.
  3. Zeitschrift für Feinmechanik und Präzision, Heft 15 vom 28. Juli 1926, Seite 145 bis 150
  4. Festschrift Zur 50-Jahrfeier der Deutschen Uhrmacherschule Seite 20