Die Abteilung Feinmechanik der DUS unter Leitung von Paul Biber entwickelt sich zu einer anerkannten Ausbildungsstätte in Sachsen

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Taschenbuch der Feinmechanik

Durch sein Wirken als Vorsitzender vom Verein der Mechaniker und Optiker zu Dresden und Umgebung, seine guten Ausbildungsergebnisse an der DUS und die Berichte dazu in Artikeln mehrere Fachzeitschriften, seinen guten Kontakten zu Betrieben sowie seiner Mitarbeit in Prüfungskommissionen verfügte Paul Biber über eine sehr gute fachliche und pädagogische Kompetenz, die dazu führte, dass ihn der Herausgeber vom bisherigen „Taschenbuch für Präzisionsmechaniker, Optiker, Elektromechaniker und Glasinstrumentenmacher“ bat, am neuen Taschenbuch mitzuarbeiten. So erschien 1930 unter der Herausgeberschaft von Herrn Harrwitz und den ausgewiesenen Mitarbeitern P. Biber sowie H. Herrnsdorf im Verband mit zwei Beiheften dazu ein völlig neues „Taschenbuch der Feinmechanik“. Es galt zu dieser Zeit als Standardwerk für Arbeiter, Meister und Ingenieure auf den Gebieten Mechanik und Optik.

Gewerbeoberlehrer

Aufgrund seines hervorragenden Wirkens für die Schüler und die Deutsche Uhrmacherschule wurde Paul Biber zum Gewerbeoberlehrer ernannt. Das freute und beflügelte ihn, weiterhin alle Kraft in das Verbessern der Ausbildung zu investieren. Die erweiterten Möglichkeiten seiner Werkstatt erlaubten es ihm durch die produktiven Arbeiten der Schüler oder von ihm selbst – teilweise in Umsetzung eigener Gerätekonstruktionen - den Werkzeug- und Maschinenpark der Werkstatt zu erweitern bzw. qualitativ zu verbessern. Aber auch neue Unterrichtsmittel wurden gefertigt. So manche spezielle Gerätekonstruktion, aber besonders einige seiner selbst entwickelten und mit den Schülern hergestellten Unterrichtsmodelle waren auch außerhalb der DSU sehr begehrt. Geduldet vom Schuldirektor Dr. Giebel wurde so manches dieser Produkte in Kleinserie hergestellt. Dadurch lernten die Mechaniker-Schüler sogleich Möglichkeiten einer rationellen Fertigung kennen – auch hier im doppelten Sinne. Einerseits durch das Organisieren des Fertigungsablaufes und das Selbsterleben der Fertigung sowie andererseits durch das Schaffen von Voraussetzungen für diese Mehrfachfertigung z. B. durch das Konstruieren, Fertigen und Erproben von Vorrichtungen. Die Produkte der „Mechanischen Abteilung“ der DUS (siehe Abbildung 82 bis 85) hatten einen guten Ruf. Diese Kooperation mit den Betrieben sicherte der Abteilung dringend benötigte Vorrichtungen, Geräte, Materialien und Muster für die Ausbildung. So konnte ein gutes Mitgehen mit dem Stand der Technik gesichert werden und es war möglich, separate Prüfräume einzurichten und auszustatten sowie die Unterrichtsmittelsammlung zu aktualisieren. Das betraf im Besonderen Modelle und Vorrichtungen:

  • zur Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens beim Fachzeichnen,
  • für das Durchführen von Werkstoffprüfungen,
  • zum Demonstrieren des Aufbaus und der Funktionsweise von Maschinen zu einzelnen Fertigungsverfahren sowie des Aufbaus und der Funktionsweise wesentlicher Baugruppen der Feinmechanik sowie
  • zum Durchführen elektrotechnischer Schülerexperimente.

Eine von Paul Biber speziell entwickelte Handbohrmaschine stellte den Rahmen für den gesamten Zeitraum der ersten beiden Ausbildungsjahre der Lehrlinge dar. Damit konnten sie viele Arten der Fertigungsverfahren der Feinmechanik sowie viele berufliche Handlungen vom Umgang mit der Konstruktionszeichnung bis zur Funktionsprobe des fertigen Produktes erlernen (Lesen von Technischen Zeichnungen, Auswahl des Fertigungsverfahrens, Aufstellen von Arbeitsplänen, Besorgen der richtigen Werkzeuge, Einrichten von Maschinen, Messen der Teile, Anreißen der Teilekontur, Körnen der Bohrungsmittelpunkte, Bohren, Fräsen, Feilen, Sägen, Senken, Blechschneiden, Biegen, Drehen, Gewindeschneiden, Verzahnen, Fügen usw.). Auch diese Handbohrmaschine durften die Lehrlinge mit nach Hause nehmen. Paul Biber stellte an seine Schüler, aber auch an sich selbst, hohe Anforderungen und bereitete dadurch seine Schüler im doppelten Sinne auf das Bewältigen beruflicher Situationen vor:

Einerseits erforderte das Herstellen der unterschiedlichen Produkte komplexe Anforderungen an das zeichnerische Erfassen des Produktes, an die Fertigungsplanung und nicht zuletzt an die Fertigung selbst einschließlich der Produktprüfung. Die spätere Fertigung des Schraubenmikrometers verdeutlichte: Wer das kann ist Experte, verfügt über eine umfassende berufliche Handlungskompetenz. Andererseits sicherte die Ausstattung seiner Absolventen – der Feinmechaniker – mit den selbst hergestellten Messmitteln und Arbeitsmitteln (Anreißzirkel, Körner, Anreißnadel, Hammer) eine solide Grundausstattung zur Ausführung beruflicher Arbeitsaufgaben. Für die differenzierte Ausbildung und das Arbeiten an unterschiedlichen Produkten bedurfte es eines geeigneten Kontrollmittels zum Prüfen des Ausbildungsstandes des einzelnen Schülers anhand der über einen bestimmten Zeitraum selbst fachgerecht ausgeführten Arbeiten. Das von Paul Biber kreierte Organisationsmittel war der Arbeitsschein (siehe Abb. 87), der den Schüler über die gesamte Lehrzeit begleitet. Er enthielt die persönlichen Daten, die abgerechneten Daten einschließlich der Nummern für die verwendeten Werkzeuge und den Stundennachweis. So konnte schnell erfasst werden, welche Arbeiten unbedingt noch bis zum Abschlusszeugnis auszuführen waren. Mit diesem Arbeitsschein schuf Paul Biber ein sehr effektives Ausbildungskontrollelement, welches erst viel später in abgewandelter Form als Ausbildungsnachweis fester Bestandteil der beruflichen Ausbildung wurde. Desweiterem hat sich unter Initiative von Paul Biber über die Jahre nun schon zu einer Tradition entwickelt, dass alljährlich die Schüler 14 Tage vor Beginn der Winterferien Weihnachtsarbeiten für ihre Angehörigen ausführen.

Weihnachtsarbeiten

Da entstehen nun Nachttisch- und Schreibtischlampen, Brieföffner und Briefbeschwerer, Petschaften, Federhalterauflagen, Briefwagen, Knaulbecher und Zierdosen sowie Zigarrenabschneider und Kerzenständer sowie vieles mehr. Die Schüler müssen dazu zunächst selber einen Entwurf einreichen und dieser wird dann gemeinsam auf technische Ausführbarkeit und auf schöne Formen geprüft. Ist der Entwurf angenommen und entspricht der Entwurf den fachlichen Möglichkeiten des Schülers, dann sollten gegebene Hinweise noch in eine Entwurfsüberarbeitung eingearbeitet werden. Danach muss die Stückliste erstellt und eine Materialbestellung erfolgen. Bemerkenswert an dieser Betätigungsmöglichkeit war u.a., dass der fachliche Horizont erweitert wurde, wie z.B. beim Fertigen des Würfels im Würfel oder des Zigarrenabschneiders, die Schüler den Umgang mit anderen Werkstoffen erlernten wie z.B. beim Herstellen von Dosen und Tellern aus Holz und Teile aus unterschiedlichen Werkstoffen miteinander verknüpften . Teilweise wurden bei den hergestellten Gegenständen auch Elemente der Mechanik und Elektrotechnik miteinander verknüpft z.B. Lampenständer. Auch hierauf bereitete sich Paul Biber langfristig vor. So besorgte er rechtzeitig geeignetes Holz (z.B. Kirschbaum) und lagerte es zum Trocknen oder er stellte selbst ein Produktmuster her (z.B. Würfel im Würfel), um gezielt gestalterische und fertigungstechnische Hinweise geben zu können.

Gute fachliche, allgemeinbildende und humanitäre Ausbildung

Schüler und Lehrkörper der DUS 1932

Der Lehrkörper bemühte sich darum seinen Berufs- und Meisterschülern eine sehr gute fachliche, allgemeinbildende und humanitäre Ausbildung zu vermitteln. Ganz in diesem Sinne wurden Ausbildungskonzepte und -produkte (Lehrstücke) in Ausbildungsgremien und Fachzeitschriften vorgestellt, damit andere Ausbildungseinrichtungen von den gesammelte Erfahrungen profitieren können. Durch dieses Präsentieren von Ausbildungsinhalten und das Diskutieren darüber gab es immer wieder Anregungen zur weiteren Verbesserung der Ausbildung an der DUS. Die Ausbildung an der DUS hatte in den Ausbildungen Feinmechanik und Uhrmacherei unter ihren Leitern Paul Biber und Alfred Helwig einen solchen Stand erreicht, dass die Deutsche Uhrmacherschule sich mit ihren Schülerarbeiten beispielsweise auf der Ausstellung „Uhr und Schmuck“ in Frankfurt am Main 1931 beeindruckend präsentierte. Zurecht wird 1932 der Lehrkörper mit seinen hervorragenden Schülern vor der Deutschen Uhrmacherschule fotografiert.


© Dr. Jörg Biber