Baron, Eberhard: Unterschied zwischen den Versionen
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Im August 1960 war Eberhard Baron als Werkzeugmacher im [[VEB Archimedes Rechenmaschinenfabrik Glashütte]] tätig. | Im August 1960 war Eberhard Baron als Werkzeugmacher im [[VEB Archimedes Rechenmaschinenfabrik Glashütte]] tätig. | ||
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+ | == Auszug aus dem Lebensbericht von Eberhard Baron == | ||
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+ | (Dieser Auszug ist [[Watch-wiki:Urheberrechte beachten|urheberrechtlich]] geschützt und wurde von Herrn Baron für Watch-Wiki auszugsweise zur Veröffentlichung freigegeben) | ||
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+ | '''''Ich werde Feinmechaniker''''' | ||
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+ | ''Lehrzeit 1951 bis 1954'' | ||
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+ | Mit dem Ende der achten Klasse verließ ich die Schule, denn bei meinen | ||
+ | Zensuren war an den Besuch der Oberschule in Altenberg nicht zu denken<nowiki>:</nowiki> | ||
+ | Deutsch, Geschichte mit Gegenwartskunde, Erdkunde, Rechnen mit Arithmetik, | ||
+ | Algebra und Geometrie Note zwei, der Rest, Russisch, Biologie, Physik, Chemie, | ||
+ | Handschrift, Körperliche Erziehung, Zeichnen, Note drei. Fleiß und Mitarbeit | ||
+ | waren gut, Betragen sogar sehr gut. Die Besten der Klasse erfüllten bis auf eine | ||
+ | Ausnahme nicht die Voraussetzungen zum Besuch der Oberschule, weil sie aus | ||
+ | bürgerlichen Familien entstammten. Erst nach massiver Intervention der Eltern | ||
+ | und wohl auch mit Unterstützung einiger Lehrer und des Direktors gelang es vier | ||
+ | oder fünf doch noch. | ||
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+ | Ich sollte einen Facharbeiterberuf erlernen, was in Glashütte, einem kleinen Ort | ||
+ | mit traditioneller Metallverarbeitung und insbesondere Feinmechanik und Uhrenproduktion, | ||
+ | vorrangig ein Metallberuf war. Die VVB Mechanik , zu der der VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) gehörte, hatte in Glashütte das Lehrkombinat | ||
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+ | Hofmann teilte meiner Mutter mit, dass sie mich nicht annehmen würden, weil | ||
+ | mein Vater ehemaliger NSDAP-Angehöriger sei. Das hat sie nicht hingenommen | ||
+ | und erfolgreich gegen diese Entscheidung interveniert. Also begann ich meine | ||
+ | Lehre am 15. September 1951mit zwei Wochen Verspätung. Das Lehrkombinat | ||
+ | lag fast am Ende von Glashütte, Müglitztal aufwärts. Jeden Tag musste ich nun | ||
+ | den langen Weg laufen: Vom Folgenhang zur Emil-Lange-Straße, das ist fast bis | ||
+ | zum Bahnhof, die nach einigen hundert Metern in die Müglitztalstraße mündet. | ||
+ | 4 Adolf Hennecke, 1905-1975, wurde 1948 von der sowjetischen Militäradministration | ||
+ | dafür ausgewählt, die sowjetische Stachanow-Bewegung in der DDR | ||
+ | einzuführen. Damit sollten Spitzenleistungen organisiert werden, die Grundlage für | ||
+ | höhere Arbeitsnormen bildeten, Aktivistenbewegung | ||
+ | 5 Frieda Hockauf, 1903-? sollte 1953 die Konsumgüterproduktion intensivieren | ||
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+ | Kollektivverpflichtungen | ||
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+ | Hier wurde übrigens später die Poliklinik gebaut, in der alle wichtigen Ärzte | ||
+ | vereinigt waren. Wenn man sich dort anmeldete, wollte die Schwester immer | ||
+ | wissen, was einem fehlt. Das war für manche Patienten, besonders Frauen, ziemlich | ||
+ | peinlich. Als ich schon etwas älter war, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen | ||
+ | und antwortete, dass ich das schon nachher dem Arzt sagen werde. Damit | ||
+ | war sie auch zufrieden. Dann zog sich der Weg auf der Müglitztalstraße hin, vorbei | ||
+ | an der PAKA (VEB Pappen- und Kartonagenfabrik), die rechter Hand gleich | ||
+ | an der Straße einen ihrer Lagerschuppen hatte, aus dem man leicht Mappen klauen | ||
+ | konnte. Dann endlich hatte man es geschafft und konnte durch das Tor, das - | ||
+ | wie alle Betriebe in dieser Zeit - von einem Pförtner bewacht wurde. Hatte man | ||
+ | sich mit dem Betriebsausweis legitimiert, ging man noch ein Stück über den Hof | ||
+ | und betrat das eigentliche Lehrgebäude mit der großen Lehrwerkstatt im ersten | ||
+ | Stock. Dort befanden sich die Bereiche für die Grundausbildung, die Maschinenausbildung | ||
+ | und Spezialbereiche wie Werkzeugausgabe und Meisterbereich. Im | ||
+ | Keller befand sich eine Schmiede, in der jeder im zweiten Lehrjahr eine Woche | ||
+ | lang bei Meister Arthur Rehn arbeiten musste. Wir waren eingeteilt in Gruppen | ||
+ | zu etwa 12 Lehrlingen, genannt Lernaktive. Unter den Lehrlingen war ein Mädchenanteil | ||
+ | von vielleicht 20 Prozent. Der Tag begann fast immer mit einer Unterweisung. | ||
+ | Sie hielt für alle ab Obermeister Willi Laubner, ein ziemlich poltriger | ||
+ | Mann in den Fünfziger, ein sehr guter Fachmann, Respekt einflößend, gerecht, | ||
+ | nicht nachtragend, der sehr auf Ordnung und Disziplin bedacht und bei uns allen | ||
+ | beliebt war. Themen waren Arbeitsschutzbelehrungen, besondere Vorkommnisse | ||
+ | oder politisch herausragende Ereignisse. Letztere waren in der DDR zu jeder Zeit | ||
+ | häufig. Tagungen des Zentralkomitees der SED, Parteitage, Adolf Hennecke- | ||
+ | Bewegung , Frieda-Hockauf-Bewegung , usw. usf. Wenn es nur um Fragen des 4 5 | ||
+ | Lernaktivs ging, hatten wir es mit dem Ausbilder zu tun, der uns auch den ganzen | ||
+ | Tag begleitete und uns in die einzelnen Arbeitsschritte einwies. Hier wurden aber | ||
+ | auch Einzelheiten des Lernkollektivs, Verpflichtungen zu Bestleistungen usw. | ||
+ | besprochen. Von den Namen der Lehrmeister ist mir noch Herr Kocareck in Erinnerung, | ||
+ | dessen jüngerer Bruder Helfried mit in unserem Lernaktiv war und mit | ||
+ | 6 Zunder ist der Rückstand vom Warmwalzen des Stahls auf der Oberfläche | ||
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+ | dem ich mich gut verstand. | ||
+ | ••• | ||
+ | Nachdem die Begrüßungsformalitäten und ersten Einweisungen überstanden | ||
+ | waren, begann der Ernst der Ausbildung. Wie es sich für einen Metallberuf | ||
+ | gehört, mit dem Erlernen des Feilens. Dazu erhielten wir ein Stück Flachstahl | ||
+ | von etwa 15 mm Dicke und Abmessungen, die gerade so in den Schraubstock | ||
+ | passten. Die Platte war überdies stark verzundert , und wir mussten zuerst mit 6 | ||
+ | dem Rist der Feile, das ist ihre Schmalseite, diese Schicht erntfernen. Das war für | ||
+ | uns 14-jährige außerordentlich Kräfte zehrend, einige brauchten immerhin noch | ||
+ | einen Untersatz unter die Füße, damit sie auf die richtige Höhe kamen. Jede | ||
+ | Pause war willkommen, und heimlich schielten wir zur Uhr, ob nicht bald Feierabend | ||
+ | sei. Die Ausbilder waren aber ständig präsent und spornten uns unentwegt | ||
+ | an. Ungeschickten halfen sie oder wiesen darauf hin, dass man z.B. blanke | ||
+ | Flächen nicht mit der Hand abwischt, weil dann das Feilen wiederum schwer | ||
+ | fällt. Gleich am zweiten Tag brach an meinem Schraubstock die Schwalbenschwanzführung, | ||
+ | weil ich mich beim Festziehen der Platte mit meinem ganzen | ||
+ | Körpergewicht auf den Hebel gehängt hatte. Das verursachte einiges Aufsehen, | ||
+ | weil so ein Schraubstock nicht nur teuer, sondern vor allem ein rarer Artikel war. | ||
+ | Der Ausbilder prüfte sogar meinen Bizeps und meinte verwundert: “So stark bist | ||
+ | |||
+ | Anfangs hatten wir an drei Tagen der Woche in der Baracke des Lehrkombinats | ||
+ | berufstheoretischen Unterricht. Es gab die Fächer wie bisher, also Deutsch, | ||
+ | Mathematik und andere, aber auch berufsbildende Fächer wie Fachkunde, Fachzeichnen | ||
+ | und Fachrechnen. Zunehmend machte mir die Berufsschule Freude, und | ||
+ | ich lernte immer besser. Wohl auch, weil mir die ganze Lehre, nachdem das praktische | ||
+ | Arbeiten abwechslungsreich wurde, immer mehr Spaß bereitete. Ich merkte, | ||
+ | dass ich in Unterweisungen schnell begriff, räumliches Denken entwickelte, | ||
+ | was unter anderem beim Lesen von technischen Zeichnungen von Nutzen ist. | ||
+ | Auch das Arbeiten an den Maschinen, das besonders im zweiten Lehrjahr dominierte, | ||
+ | machte großen Spaß. Wir lernten alles kennen, was ein Feinmechaniker | ||
+ | wissen muss. Präzision war das A und O der Ausbildung. Neben dem Drehen, | ||
+ | Fräsen, Hobeln, Gewinde Schneiden von Hand und an der Maschine, lernten wir | ||
+ | Schleifen, Schaben und Reiben. Beim Schleifen waren das: Rundschleifen innen | ||
+ | und außen und Flachschleifen. Geschabt werden Flächen, die besonders eben | ||
+ | sein müssen. Dazu benutzt man eine vollkommen flache Platte, die Tuschierplatte, | ||
+ | auf der blaue Paste dünn aufgetragen wird. Dann reibt man vorsichtig das | ||
+ | Werkstück auf der Tuschierplatte. An den erhabenen Stellen bleibt die Paste hängen, | ||
+ | und man sieht die Stellen, die noch mit einem Dreikant- oder Flachschaber | ||
+ | zu bearbeiten sind. Fertig ist die Fläche erst dann, wenn sie nicht nur gleichmäßig | ||
+ | eben, sondern die Bearbeitungsspuren schön wie ein Parkettmuster im Seitenlicht | ||
+ | schimmern. Das alles dauert natürlich seine Zeit. Entsprechend wurde auch der | ||
+ | Umgang mit den Meß- und Prüfmitteln geübt. Jeder Lehrling hatte seine Standardausstattung | ||
+ | mit der Schieblehre, Feilen und anderem. Für bestimmte Arbeiten | ||
+ | musste man in der Werkzeugausgabe, die von Lehrlingen abwechselnd | ||
+ | besetzt war, entsprechendes holen: Mikrometer, Lehren, Parallelendmaße usw. | ||
+ | Dafür hatte jeder 10 runde Blechmarken, auf denen die Nummer des Lehrlings | ||
+ | eingeschlagen war, bei mir die 25, die an die Stelle des ausgeliehenen Teiles, es | ||
+ | konnten auch Spannmittel und anders sein, gehängt wurde. Im ersten Lehrjahr | ||
+ | hatten wir einen Feilenreiniger gefeilt. Der Ausbilder sammelte sie ein und | ||
+ | bewertete sie in diesem Fall vor unseren Augen. Er saß an seinem Schreibtisch, | ||
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+ | nach dem anderen begutachtete er und kommentierte Gutes und Mängel. Als er | ||
+ | den mit der Nummer 25, also meinen, in der Hand hielt, lobte er die Bearbeitung | ||
+ | der flach zulaufenden Fläche mit dem Hammer, kritisierte aber, dass der Grat | ||
+ | nicht entfernt worden war. Ich antwortete: “Das hat uns aber kein Schwanz | ||
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+ | einen roten Kopf und entschuldigte mich. Damit war die Sache erledigt.'' | ||
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