Uhrmacher - Lehrvertrag um 1900

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Uhrmacher - Lehrvertrag um 1900

Der Lehrvertrag wird stets schriftlich gemacht, er enthält das Übereinkommen, welches zwischen den Kontrahenten über Lehrzeit, Lehrgeld, Kost, Behandlung etc. getroffen worden ist. Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling in den bei seinem Betriebe vorkommenden Arbeiten des Gewerbes dem Zwecke der Ausbildung entsprechend zu unterweisen, ihn zum Besuche der Fortbildungs- oder Fachschule anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen. Er muss entweder selbst oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu bestimmten Vertreter die Ausbildung des Lehrlings leiten, den Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anhalten und vor Ausschweifungen bewahren, er hat ihn gegen Misshandlungen seitens der Arbeits- und Hausgenossen zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass dem Lehrlinge nicht Arbeitsverrichtungen zugewiesen werden, welche seinen körperlichen Kräften nicht angemessen sind. Er darf dem Lehrlinge die zu seiner Ausbildung und zum Besuche des Gottesdienstes an Sonnund Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit nicht entziehen. Zu häuslichen Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, welche im Hause des Lehrherrn weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen werden. Der Lehrling muss dem Lehrherrn, sowohl in Handwerks- als häuslichen Angelegenheiten gehorsam sein, in Handwerkssachen auch dem ersten Gehilfen gehorchen. Der Lehrherr und in dessen Abwesenheit der erste Gehilfe, hat wie ein Vater das Recht, ihn mässig zu züchtigen. Das bürgerliche Gesetzbuch hat das Neue geschaffen, dass, wenn der Vater des Minderjährigen gestorben oder durch Abwesenheit oder Krankheit ausser Stande ist, für sein Kind Erklärungen abzugeben, die Mutter an seine Stelle tritt. Das Recht zur Entlassung eines Lehrlings, weil derselbe sich als unbrauchbar zu dem gewählten Berufe erwiesen hat, muss im Vertrage ausdrücklich hervorgehoben werden, da das Gesetz diesen Entlassungsgrund nicht kennt. Der Lehrvertrag ist wie folgt abzufassen :

Am heutigen Tage ist zwischen dem Uhrmacher, Herrn ..... als Lehrherrn, und Herrn (Frau) ..... als gesetzlichem Vertreter des Lehrlings, der nachstehende Lehrvertrag zur Begründung eines gesetzlichen Lehrverhältnisses verabredet und geschlossen worden.

§ 1.

Es giebt der .Herr (Frau) ..... seinen (ihren) Sohn, Mündel ..... dem Uhrmacher Herrn ..... zur Erlernung der Uhrmacherkunst in die Lehre.

Die Lehrzeit wird hierdurch auf ... Jahre, und zwar vom ..... 19.. bis zum ..... 19.. festgesetzt.

Innerhalb der ersten vier Wochen, welche als Probezeit angesehen werden, kann jeder der Kontrahenten vom Vertrage zurücktreten, jedoch wird dem Lehrlinge bei Fortsetzung der Lehre die bestandene Probezeit angerechnet.

Das Lehrgeld ist auf die Summe von .... Mark in Worten festgesetzt, welche der gesetzliche Vertreter des Lehrlings an den Lehrherrn folgendermassen zu bezahlen hat:

§ 2.

Gleichzeitig verpflichtet sich der gesetzliche Vertreter des Lehrlings, demselben das nötige Werkzeug, wie es die fortschreitende Ausbildung desselben erfordern wird, zu beschaffen. Das beschaffte Werkzeug bleibt Eigentum des Lehrlings. Der Lehrling erhält während der Lehrzeit

  • die Beköstigung von .....
  • die Bekleidung von .....
  • die Schlafstelle von .....
  • ein vollständiges Bett nebst Bettstelle von .....
  • und die Reinigung der Wäsche übernimmt .....

§ 3.

Der Lehrherr macht sich verbindlich :

a)Den Lehrling nach bestem Wissen in der Uhrmacherkunst zu unterweisen und denselben zu einem möglichst tüchtigen Arbeiter auszubilden, auch ihn zu andern Arbeiten, als denen, welche zum Geschäft gehören, in ausnahmsweise dringenden Fällen nur soweit zu verwenden, als dies ohne Nachteil für die gewerbliche Ausbildung geschehen kann.

b)Den Lehrling rechtzeitig von der Arbeit freizulassen, damit er ausser der Fortbildungsschule auch nach Vereinbarung noch anderen Unterricht geniessen kann, als: .....

c)Den Lehrling in seinen väterlichen Schutz zu nehmen, denselben nicht zu misshandeln oder von seinen Arbeits- oder Hausgenossen misshandeln zu lassen, seine Aufführung zu bewachen und ihn in Zucht und Ordnung zu halten, sowie auch seine Angehörigen von groben Fehlern, Krankheit, eigenmächtiger Entfernung und Nichtbesuch der oben bestimmten Schulen vorkommenden Falls in Kenntnis zu setzen.

§ 4.

Der Lehrling ist sowohl dem Lehrherrn als demjenigen, welchem dieser die besondere Aufsicht überträgt, Achtung und unbedingten Gehorsam schuldig und hat nicht nur alle in Bezug auf das Geschäft ihm übertragenen Arbeiten ohne Widerrede mit Fleiss und Sorgfalt auszuführen, sondern auch sich zu bestreben, durch tadelloses, anständiges Betragen in und ausserhalb des Geschäfts die Zufriedenheit des Lehrherrn, der Gehilfen und Kunden zu erwerben. Auch hat sich der Lehrling reinlich und anständig gekleidet zu der vom Lehrherrn bestimmten Zeit im Geschäftslokale einzufinden und darf eine eigenmächtige Entfernung aus dem Geschäfte sich nicht erlauben. § 5.

Der ..... verpflichtet sich, soweit es von ihm geschehen kann, den Lehrling zur unausgesetzten Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten anzuhalten, den Lehrherrn ,in seinen Bestrebungen in jeder möglichen Weise zu unterstützen, mit demselben in steter Verbindung zu bleiben und über Fleiss und Wohlverhalten des Lehrlings zeitweilig Erkundigung einzuziehen, sowie dessen Erziehung Hand in Hand mit dem Lehrherrn zu leiten.

§ 6.

Für allen durch den Lehrling mutwillig oder fahrlässig entstandenen Schaden hat der Vater (die Mutter oder der gesetzliche Vertreter) des Lehrlings aufzukommen. Im Fall sich im Laufe der Lehrzeit herausstellt, dass der Lehrling, die Fähigkeit, ein tüchtiger, brauchbarer Uhrmacher zu werden, nicht besitzt, so dass der Lehrherr sich veranlasst fühlt, ihn aus der Lehre zu entlassen, so ist der ..... nicht berechtigt, irgend welche Entschädigung zu beanspruchen. Das Recht der Entlassung des Lehrlings aus dem genannten Grunde wird dem Lehrherrn ausdrücklich gewährt.

§ 7.

Sollte der Lehrling durch Krankheit oder andere unvorhergesehene Fälle während der Lehrzeit länger als .. Wochen behindert sein, seiner Pflicht zu genügen, so hat der Lehrherr die Berechtigung, Ersatz dafür durch entsprechende Verlängerung der vertragsmässigen Lehrzeit zu beanspruchen, sofern nicht eine andere Vereinbarung getroffen wird. Die durch Krankheit oder sonstige Unfälle entstehenden Kosten trägt der ..... des Lehrlings. Geht der Lehrling zu einem anderen Berufe über, ohne dass sonst ein gesetzlicher Grund die Aufhebung des Vertrages rechtfertigt, oder wird das Lehrverhältniss durch Schuld des Lehrlings auf Grund der §§ 123 und 128 der Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 vor Ablauf der verabredeten Lehrzeit aufgehoben, so ist der ..... des Lehrlings, Herr ..... zu folgender Entschädigung verpflichtet:

Das bereits gezahlte Lehrgeld verbleibt dem Lehrherrn.

§ 8.

Durch den Tod des Lehrherrn oder Lehrlings wird dieser Lehrvertrag aufgehoben. Auf den Antrag des einen oder des anderen Teils ist der Lehrvertrag auch dann aufzuheben, wenn der Lehrherr oder der Lehrling zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen unfähig wird. In beiden Fällen erfolgt die Auseinandersetzung hinsichtlich des Lehrgeldes nach Verhältniss des bereits abgelaufenen Teiles der Lehrzeit zur ganzen Dauer derselben.

§ 9.

Am Ende des Lehrverhältnisses erhält der Lehrling über die Dauer seiner Lehrzeit und über die während derselben erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten, sowie über sein Betragen ein vom Lehrherrn ausgestelltes und von der massgebenden Behörde beglaubigtes Zeugniss.

Beide Teile haben diesen Lehr-Vertrag nach geschehener Durchlesung zum Zeichen der Genehmigung eigenhändig unterschrieben.

Quellen