Coudray, Julien
Französischer Uhrmacher
Julien Coudray, wurde am ende des 15. Jahrhunderts geboren, wahrscheinlich zwischen 1450 und 1470. Er ist einer der ersten französischen Uhrmacher, die in königlichen Quellen erwähnt werden. Er arbeitete zunächst für Ludwig XII., dann für Franz I. und wurde einer seiner beauftragten Handwerker. In Blois, damals eine privilegierte königliche Residenz, gründete er seine Werkstatt und trug zum Aufschwung der Stadt als Zentrum der französischen Uhrmacherkunst bei. Sein Name erscheint in mehreren Archivdokumenten, insbesondere aufgrund seiner Lieferung außergewöhnlicher Zeitmesser an den Hof. Einem Dokument aus dem Jahr 1518 zufolge, das in der Bibliothèque Nationale de France aufbewahrt wird, erhielt Julien Coudray 200 Goldécus für die Herstellung zweier mechanischer Miniaturuhren, die in die Knäufe von Dolchen für Franz I. eingesetzt wurden. Dieser königliche Auftrag stellt die erste nachgewiesene Erwähnung einer tragbaren Uhr in Frankreich dar. Im Gegensatz zu den Turm-, Tisch-oder Hausuhren, die die Zeitmessung im 15. Jahrhundert dominierten, waren die 1518 von Coudray gefertigten Uhren so konzipiert, dass sie am Körper getragen werden konnten, bewegungs- und stoßfest waren und eine schnelle Zeitmessung ermöglichten. Sie vereinten die wesentlichen Merkmale einer Uhr.
Durch die Integration des Gehäuses in den Knauf des Dolches – ein Gegenstand, den der Träger stets am Gürtel trug – wurde die Uhr persönlich, mechanisch und zugänglich, lange bevor sich diese Praxis im 17. Jahrhundert weit verbreitete. Zur gleichen Zeit wird in den deutschen Fürstentümern dem Uhrmacher Peter Henlein aus Nürnberg eine ähnliche Erfindung zugeschrieben. Die erste Erwähnung seiner Arbeit findet sich jedoch erst in einer späten Chronik (1547). Die Henlein zugeschriebenen Uhren sind als „Nürnberger Eier“ bekannt. Mehrere Fachleute sind davon überzeugt, dass Julien Coudray, wenn auch nicht der Erfinder der Taschenuhr, so doch der erste europäische Uhrmacher sein könnte, der eine wirklich tragbare und funktionale Uhr für den täglichen Gebrauch geschaffen hat.
Die Auswirkungen dieser Innovation beschränkten sich nicht nur auf den Hof. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelte sich Blois zu einem bedeutenden Zentrum der Uhrmacherkunst. Um 1530 waren in den Archiven etwa 60 bis 70 Uhrmacher und Goldschmiede verzeichnet. Diese außergewöhnliche Konzentration machte die Stadt zu einem Handwerkszentrum, in dem sich das Wissen um Goldschmiedekunst, Gravur, Emaillierung und Mechanik bündelte. Die daraus entstandenen Uhren wurden oft emailliert, vergoldet und graviert, wodurch aus dem Gebrauchsgegenstand ein symbolträchtiges Juwel wurde. Die Zeit wurde nicht mehr nur abgelesen: Sie wurde gezeigt, angeboten und getragen.
Unter den anderen Werken, die Julien Coudray zugeschrieben werden, verdient eine Schöpfung besondere Erwähnung: eine bewegliche Kugel, die einigen Quellen zufolge um 1504, also während der Herrschaft Ludwigs XII., entworfen wurde. Dieses Gerät, ähnlich Planetenuhren oder Armillarsphären, ermöglichte es, die Bewegung der Sterne, die Mondphasen und sogar den Wechsel der Tierkreiszeichen zu verfolgen. Es handelte sich um eine astronomische Miniaturuhr, ausgestattet mit mehreren konzentrischen Kreisen, Differenzialzeigern und rotierenden Mechanismen, die auf himmlische Rhythmen abgestimmt waren. Diese Errungenschaft, obwohl kaum dokumentiert, zeugt von einem hohen technischen Niveau und einem tiefen Verständnis der Beziehung zwischen menschlicher und kosmischer Zeit.
Julien Coudray starb 1530 in Blois. Sein Ruf schien mit ihm zu verblassen. Der germanische Mythos, überliefert von Historikern des 19. Jahrhunderts, beherrschte das französische Gedächtnis. Erst im 20. Jahrhundert begannen Uhrmacher und Historiker, Coudray seinen rechtmäßigen Platz in der Geschichte der westlichen Uhrmacherkunst zurückzugeben. Ein Beweis für dieses erneute Interesse: Ein Schweizer Hersteller, Julien Coudray 1518, zollt seinem Namen Tribut und führt in seinen raffinierten Uhrenmodellen die technische und ästhetische Raffinesse fort, die der Handwerker aus Blois fünf Jahrhunderte zuvor erdacht hatte.
Quellen
- France Horlogerie – „Die französische Uhr seit dem 16. Jahrhundert“, historisches Dossier, 2021.
- Le Figaro – Horlogerie – „Was wäre, wenn der Erfinder der Taschenuhr tatsächlich Franzose war?“, 22. Dezember 2020.
- Watch Wiki – Artikel „Blois“, historische und technische Daten.
- WorldTempus – Präsentation der Marke Julien Coudray 1518.
- Bibliothèque Nationale de France – Archiv der königlichen Ausgaben unter Franz I.
- Pierre-Lannier.com – Geschichte der französischen Uhrmacherei. – Le Point Montres – „Julien Coudray 1518, zwischen Mechanik und Goldschmiedekunst“, 2012.