Deutsche Seewarte Hamburg

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Deutsche Seewarte Hamburg

Deutsche Seewarte Hamburg um 1895

Die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im damaligen Deutschland geschaffene Schiffbauindustrie setzte mehr und mehr deutsche Schiffe ins Wasser. Aber nur durch eine sekundengenaue Zeitmessung anhand eines mitgeführten Zeitmessers (Chronometer) konnte aus der Differenz von Referenz-Zeit am Nullmeridian und der Ortszeit der jeweilige Längengrad errechnet werden. (siehe auch: Board of Longitude)


Die ersten Jahre

Bereits 1865 hatte Georg v. Neumayer auf einer Versammlung der Deutschen Geographen in Frankfurt die Gründung einer Seewarte angeregt. Ab 1867 begann man mit der praktischen Umsetzung des Planes und konnte am 1. Januar 1868 den Betrieb der Norddeutschen Seewarte in der ersten Etage des heute noch bestehenden Seemannshauses aufnehmen. Die notwendige Vereinigung zwischen Meteorologie, der wissenschaftlichen Untersuchung maritimer Ereignisse und eine Prüfstelle für nautische Geräte und Chronometer in einer zentralen Behörde war zu dieser Zeit jedoch nicht gegeben. Die Entwürfe für eine Zentralisierung dieser Aufgaben wurden ab 1873 intensiv beraten.

Professor Dr. Georg v. Neumayer
Erster Direktor der Seewarte Hamburg

Die Deutsche Seewarte Hamburg ging aus der von Wilhelm von Freeden begründeten und bis 1874 von ihm geleiteten Norddeutschen Seewarte hervor. Sie wurde auf Beschluß des Deutschen Bundesrates vom 12. März 1874 zum 1. Januar 1875 in eine Reichsanstalt umgewandelt und der „kayserlichen Admiralität“ unterstellt. Professor Dr. Georg v. Neumayer übernahm die Amtsführung für die Direktion der Seewarte. Im ersten Jahresbericht der Seewarte aus dem Jahr 1878 wurden die Aufgaben folgendermaßen definiert:

„Die Erforschung der physikalischen Verhältnisse aller durch den Verkehr der Völker berührten Meere und der über denselben lagernden Atmosphäre, die praktische Verwerthung der dadurch gewonnenen Ergebnisse ist zur Entwicklung, zur Förderung und Sicherheit jenes Verkehrs unerlässlich. Damit dieser Grundgedanke fruchtbringend verwerthet werden könne, bedarf die Handelsmarine, welcher der Weltverkehr zur See in erster Linie anvertraut ist, um der ihr gestellten Aufgabe gerecht zu werden, einer wissenschaftlichen Institution, die sich ganz ihren Bedürfnissen mit Bezug auf Literatur, Arbeitsmethode und Instrumente der Navigation zu widmen in der Lage ist.“

Das neue Gebäude der Seewarte

Am 14. September 1881 wurde das neue Gebäude der Deutschen Seewarte Hamburg auf dem Stintfang eingeweiht. Die Einweihung wurde bewusst auf den Geburtstag des großen deutschen Naturforschers Alexander von Humboldt (1769–1869) gelegt. Die Vorbereitungen für den Bau des Gebäubes begannen bereits 1879. Am 15. August 1880 vollzog Bürgermeister Dr. Gustav Heinrich Kirchenpauer die Grundsteinlegung für das Seewartengebäude mit den Worten: „Zu Ehren des Reiches! Zur Förderung der Wissenschaften! Zum Nutzen der Schiffahrt!“ Die charakteristische Bauweise mit den vier Türmen eröffnete mehrere astronomische Beobachtungsmöglichkeiten. Auf den Türmen wurden verschiedene Meßstationen eingerichtet.

Der Nordturm mit Universalmeßinstrument von Frank von Liechtenstein

Der Ostturm besaß eine drehbare Kuppel in der ein Durchgangsinstrument untergebracht war. Frank von Liechtenstein, der Mechaniker der Seewarte, war der Erbauer dieses Instrumentes. Um überhaupt astronomische Beobachtungen durchführen zu können, war es notwendig, Erschütterungen in diesem obersten Stockwerk des Gebäudes weitestgehend zu begrenzen. Aus baulichen und rationellen Gründen entschloß man sich gegen eine Lösung des Problems mittels durchgehender Säulen und für eine ausgeklügelte Lastenverteilung auf das Mauerwerk in dem darunterliegenden Raum. Diese Konstruktion wurde auch im Nordturm angewandt. Der Nordturm, ebenfalls mit einer drehbaren Kuppel ausgestattet, beherbergte ein Universalmeßinstrument. Auch dieses Instrument wurde von Frank von Liechtenstein geschaffen.

Auf dem Dach des Südturmes befand sich die Aussichtsplattform, die über eine Wendeltreppe zu erreichen war. In der Loggia des Turms war die Prüfungsstation für Sextanten eingerichtet.

Der Westturm mit einer Höhe von 58 Metern über dem Normalpegel der Elbe war den meteorologischen Aufgaben vorbehalten. Er wurde mit Instrumenten wie beispielsweise Windmessern ausgestattet.

Weitere Räume der Seewarte beherbergten u.a. das Laboratorium mit den Normal-Instrumenten (die Hauptuhren der Seewarte) , den Saal für Barometer-Vergleichungen, das Kompass-Observatorium (dieser Raum war außerhalb der eigentlichen Seewarte untergebracht um mögliche magnetische Störungen auszuschließen) und die Physikalisch technische Sammlungen.

Das Gebäude am Stintfang wurde im zweiten Weltkrieg zerstört.

Der Zeitsignaldienst

Am 1. November 1919 übernimmt die Deutsche Seewarte Hamburg den Zeitsignaldienst über Nauen von der Hamburger Sternwarte. Später werden die Zeitsignale auch über die Küstenfunkstellen und schließlich über alle Sender des damaligen Reichsrundfunks gesendet. Das Deutsche Hydrographische Institut (DHI) sendete ab dem 15. Juli 1950 bis zum 31. Oktober 1986 das Zeitsignal über die Küstenfunkstellen, viele Jahre auch über einige Rundfunksender und den Langwellensender DCF77, der seit 1973 im Dauerbetrieb, kontrolliert von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig (PTB), u.a. kodierte Signale zur Steuerung von Funkuhren ausstrahlte.

Nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Deutsche Seewarte Hamburg dem Reichsverkehrsministerium unterstellt. 1934 erfolgte die Neugliederung in die zwei Hauptteile "Wetterdienst" und "Nautik und Hydrographie". Der Wetterdienst wurde dem Reichsluftfahrtministerium unterstellt und bildete den historischen Vorläufer des heutigen Seewetteramtes des Deutschen Wetterdienstes.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Zeitdienst des DHI im Seemannshaus

Auf Veranlassung britischer Behörden wurde 1945 das "Deutsche Hydrograhisches Institut" (DHI)gegründet. Die nautischen und hydrographischen Aufgaben der Deutschen Seewarte Hamburg, die Aufgaben des Marineobservatoriums Wilhelmshaven sowie des Hydrographischen Dienstes wurden dem DHI zugewiesen. Der Neubeginn des DHI fand in zwei Räumen des Großen Refraktors der Sternwarte Hamburg statt. Nach vorübergehender Unterbringung im Seemannshaus bezogen "Zeitdienst und Chronometrie" 1955 das neue Hauptdienstgebäude in der Bernhard-Nocht-Straße. Das DHI entwickelte sich zur Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministerium. Nach der Angliederung des Bundesamtes für Schiffsvermessung im Jahre 1990 (Die Abteilung Hydrographie des Seehydrographischen Dienstes der DDR gehörte seit der Wiedervereinigung zu diesem Bundesamt.) trägt die Institution den Namen "Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrograhie" (BSH).

Die vier Abteilungen der Seewarte Hamburg

Die Deutsche Seewarte war von Anfang an in vier Hauptabteilungen unterteilt und erfüllte somit die seit 1873 angestrebte Vereinigung zwischen Meteorologie, der wissenschaftlichen Untersuchung maritimer Ereignisse und eine Prüfstelle für nautische Geräte und Chronometer unter einer zentralen Behörde.

Maritime Meteorologie

  • die Abteilung I enthielt auch die Sammlung nautisch-astronomischer und geodätischer Instrumente.

Prüfung von nautischen Instrumenten

  • Sextanten, Kompassen, Barometern etc.; Die Prüfungsstation für Sextanten befand sich in der Loggia des Südturmes.

Zentralstelle für ausübende Wetterkunde

  • Vorläufer des Seewetteramtes; Der dritten Abteilung oblag es, die Küstenmeteorologie und das Sturmwarnungswesen in Deutschland zu bearbeiten. Die Hauptaufgabe bestand darin, die täglichen telegraphischen Witterungsnachrichten einzusammeln und darauf aufbauend, ebenfalls täglich und größtenteils telegraphisch, Berichterstattungen und Wetterprognosen weiterzuleiten. Die Abfassung, Herstellung und Absendung von Hafentelegrammen, Wetterberichten und Wetterkarten an Zeitungen, Behörden und Privatabonnenten wurde ebenfalls von dieser Abteilung realisiert.

Prüfung von Chronometern und Präzisionsuhren

Gebäude des Chronometerprüfungsinstitutes im Garten der Deutschen Sternwarte Hamburg
  • Die Abteilung IV war der Sternwarte unterstellt und bildete damit eine Ausnahme zu den anderen Abteilungen, die der Admiralität zugeordnet waren. Der Direktor der Sternwarte, George Rümker, war gleichzeitig auch Vorsteher des Chronometerprüfungsinstituts. In der Abteilung IV wurden die Prüfungen der Chronometer durchgeführt. Zur Förderung der Chronometerindustrie in Deutschland wurden jährlich Konkurenzprüfungen abgehalten, zu denen nur deutsche Uhrmacher zugelassen wurden. Zur Prüfungskomission gehörte u.a. auch Richard Grießbach. Hier konnten Hersteller Ihre Schiffschronometer überprüfen lassen und Reeder bzw. Schiffsführer geeignete Chronometer erwerben. Zu dieser Abteilung gehörte auch der Zeitdienst deren wichtigste Aufgabe das Auslösen und die Kontrolle des funktelegraphischen Nauener Zeitsignales war. Die dazu notwendigen Geräte waren im sogenannten Zeitdienstzimmer untergebracht in dem eine vier Meter lange und zwei Meter hohe Schalttafel mit allen für den elektrischen Betrieb des Signaldienstes nötigen Ein- und Umschaltern installiert war. Wegen der Luftangriffe auf Hamburg wurde während des Zweiten Weltkrieges der Zeit- und Chronometerprüfdienst nach Sachsen verlagert. Die vordringlichen Prüftätigkeiten des Zeit- und Chronometerprüfdienst für die Wehrmacht ließen die Einrichtung eines Zeitdienstes in Sachsen nicht zu. Dieser wurde deshalb von August 1943 bis Anfang April 1945 vom Geodätischen Institut Potsdam und dann bis Kriegsende von der Hamburger Sternwarte wahrgenommen.

Die Hauptuhren der Deutschen Seewarte

Die vier Hauptuhren der Deutschen Seewarte waren in einem besonderen Raum im Kellergeschoß der Seewarte mit doppelten Wänden und einer aus fünf verschiedenen Schichten bestehende Decke untergebracht. Der Zugang zu diesen Räumen erfolgte über besonders dicht schließende Doppeltüren. Diese baulichen Maßnahmen garantierten eine relativ gleichbleibende Temperatur im Rauminneren. Die vier Hauptuhren der Deutschen Seewarte waren an vier je zwei Meter hohen Granitpfeilern befestigt, die auf einem gemeinsamen Betonsockel ruhten:

Riefler-Uhr Nr. 223 im Kupfertank
Max Richter-Uhr Nr. 101
Max Richter-Uhr Nr. 102
Strasser & Rohde-Uhr Nr. 219.

Weiterführende Informationen

Literatur