Glashütter Kunstuhr
Hermann Goertz erbaute die Glashütter Kunstuhr von 1892 – 1925. 1928 erwarb sie der Sächsische Staat. Die Uhr wurde im Foyer der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte aufgestellt. 1956 wurde die Glashütter Kunstuhr von A. Helwig und Heinz Sauerwald überholt und verbessert. 1984 wurde die Uhr von J. Fritsch und K. Friebel überholt. Über diese Überholungen wurden von den Uhrmachern umfangreiche Dokumentationen erstellt, die hier im Wortlaut wiedergegeben werden. Die Glashütter Kunstuhr befindet sich heute in den Räumlichkeiten der Lange Uhren GmbH Glashütte und kann nach Voranmeldung besichtigt werden.
Die äußere Gestaltung der Uhr
Die Zifferblätter der Goertzuhr mit der Mondphasenanzeige
Das große Hauptzifferblatt ist in bräunlichem Farbton gehalten. Es trägt die Minutenteilung und die römischen Stundenziffern, beide sind in Schwarz aufgelegt. Darüber kreisen der Stunden- und der Minutenzeiger, die blau angelassen sind. Links und rechts von der Zeigerachse wird die jeweilige Jahreszahl angezeigt. Der Mittelgrund des Hauptzifferblattes ist von einer Scheibe überdeckt, die mit floralen Ornamenten geschmückt ist und vier kleine Zifferblätter trägt. Auf das obere Zifferblatt ist die Sekundenteilung aufgebracht; der lange dünne Zeiger ist der Sekundenzeiger. Ein kürzerer Zeiger zeigt auf dem gleichen Blatt die Zeitgleichung an, den Unterschied zwischen der mittleren Sonnenzeit (MEZ) und der wahren Ortszeit. Auf dem kleineren linken Zifferblatt zeigt der größere Zeiger die Wochentage an, und der Kleinere informiert darüber, wieweit das Schlagwerkgewicht nach dem Aufzug abgelaufen ist. Auf dem rechten kleineren Zifferblatt werden vom größeren Zeiger die Monate angezeigt und vom Kleineren wie weit das Gehwerkgewicht nach dem Aufzug abgelaufen ist. Auf dem unteren, wieder etwas größeren Zifferblatt zeigt der größere Zeiger das Datum an. Auf dem gleichen Blatt ist eine weitere Teilung angebracht, die viermal die Ziffern von eins bis vier zeigt; mit Hilfe des kleineren Zeigers kann man an dieser Teilung ablesen, wie viele Jahre seit dem letzten Schaltjahr vergangen sind. Die unterschiedliche Monatslänge, 28, 29, 30 oder 31 Tage, wird von der Uhr selbsttätig geschaltet. Unterhalb des Hauptzifferblattes befindet sich links und rechts je ein größeres Zifferblatt und zwischen beiden ein etwas Kleineres. Auf dem linken dieser drei Zifferblätter zeigt der große Zeiger mit der Mondscheibe den Mondlauf und der kleine Zeiger das Mondalter an. Über dem mittleren, die Sternenzeit angebenden Zifferblatt bewegt sich, ebenfalls in Sternenzeit, der auf einer hellblauen transparenten Scheibe abgebildete nördliche Sternenhimmel. Der darüber in Sonnenzeit kreisende Zeiger zeigt das jeweilige Tierkreiszeichen. Schließlich zeigt der dünne Zeiger mit der aufgesetzten Sonnenscheibe auf dem rechten Zifferblatt den Sonnenstand und die beiden Kräftigeren den Sonnenauf- und -untergang an. Durch die Metallverzierung im unteren Bereich und die blaue Himmelswölbung oberhalb des Zifferblattes wurde eine ansprechende Umrahmung geschaffen. Oberhalb der 56. und 57. Minute wird auf dem blauen Himmelsbogen die jeweilige Mondphase naturgetreu dargestellt. Die Darstellung der Mondphase erfolgte ursprünglich durch eine Scheibe, was jedoch nicht dem Aussehen des Mondes entsprach. Darüber hatte sich Goertz bereits nach Fertigstellung der Uhr geärgert, er kam jedoch nicht mehr dazu, einen entsprechenden Umbau vorzunehmen. Erst bei der Generalüberholung im Jahr 1956 wurde der Umbau durch den Uhrmachermeister Heinz Sauerwald derart ausgeführt, daß der Mond tatsächlich durch eine rotierende Kugel dargestellt wird. Zu diesem Zweck mußte das Oberteil des Mondgetriebes durch eine Neukonstruktion ersetzt werden. Diese Änderung erfolgte aufgrund eines Wunsches, den Goertz in seinen letzten Lebensjahren geäußert hatte. Zur akustischen Zeitangabe hat die Uhr ein Schlagwerk, das die Viertelstunden mit einem Doppelschlag und die vollen Stunden mit einem Dreiklangschlag anzeigt. Ältere Kunstuhren sind oft mit noch reicheren Angaben ausgestattet. Sie stellen, neben den üblichen Kalenderangaben, vorwiegend den Lauf der Planeten dar, benötigen zur Realisierung dieser Indikationen aber auch weit mehr Raum und größere Flächen. Deshalb verzichtete Goertz auf weitere Verzierungen und auf die Anbringung von Sinnsprüchen. Er schuf eine schlichtere, aber repräsentative Dielenuhr. Da er der alleinige Schöpfer seiner Uhr sein wollte, entwarf er schließlich nach Beratungen mit zeitgenössischen Künstlern auch das Gehäuse selbst. Die Ausführung übernahm der Kunsttischler Bruno Reichel, der in der damaligen Glashütter Kunsttischlerei Guricke arbeitete. Das Gehäuse entspricht dem Möbelstil der zwanziger Jahre und ist seinerseits ein Meisterwerk der Kunsttischlerei. Seine massige Form entspricht dem ebenso massigen Ziffer¬blatt.
Zitiert aus:
Fritsch/Friebel
Die Glashütter Kunstuhr von Hermann Goertz
Uhren und Schmuck, 1984, S. 180/181
VEB Verlag Technik Berlin
Überholung und Verbesserung der Goertz-Kunstuhr in Glashütte im Jahre 1956 durch A. Helwig
Es war letzthin an der Zeit, diese Kunstuhr zu überholen. Unter den Tausenden von Besuchern, die in jedem Jahr die Uhr besichtigen, finden sich immer wieder interessierte Leute, die wissen wollen, wie oft eine derartige Kunstuhr gereinigt und mit frischem Öl versehen werden muß. Die Antwort ist schwierig zu geben, und sie muß gut überlegt werden. In jahr¬zehntelanger Belehrung durch die Uhrmacher ist ein großer Teil der Uhrenbesitzer zu der Einsicht gelangt, daß eine Armbanduhr alle zwei Jahre überholt werden muß, und wenn dabei weiter nichts zu tun ist als durch eine Reinigung das alte Öl zu entfernen, um frisches Öl geben zu können. Weiterhin ist man auch zu der Einsicht gelangt, daß es einer besonders kleinen Uhr nicht übel genommen werden darf, wenn sie sich früher meldet, überholt zu werden, weil hier schon eine geringe Verdickung des Öles die überzarten Teile behindern kann. Durch eine oberflächliche Antwort könnte also die in langer Zeit im Publikum aufgebaute vernünftige Mei¬nung über Uhren vernichtet werden. Darum wird aus¬führlich folgendermaßen geantwortet, wie es einfach den Tatsachen entspricht. Diese Kunstuhr hat Einrichtungen, die eine Ölhaltung über mindestens zehn Jahre ermöglichen, man kann mit Fug und Recht von Dauerölern sprechen. Das ist eine Einrichtung, die man allerdings nur an einer solch' großen Uhr anbringen kann. Weder in Wand¬uhren noch in Weckern, erst recht nicht in Taschen¬uhren und ganz und gar nicht in. Armbanduhren ist so viel Raum vorhanden, um eine derartige Dauerölung anbringen zu können. Außerdem verträgt unsere große Kunstuhr eine Art der Schmierung, die sonst nur im Maschinenbau, wohl auch an Turmuhren, gebräuchlich ist, nämlich die Graphit Schmierung. Daß dazu ein Spe¬zialgraphitgerät nötig ist, erwähnen wir auch, und daß nur die stärksten, langsam laufenden Zapfen dafür in Betracht kommen. Wie notwendig es ist, einer derartigen Kunstuhr Einrichtungen zu geben, die es ermöglichen, daß sie nur in etwa jahrzehntelangen Abständen überholt werden muß, sehen die Besucher dann am besten ein, wenn man ihnen das Kalenderwerk näher erklärt. Es handelt sich hier um den „Ewigen Kalender”, der auch selbstregulierender Kalender genannt wird. Das heißt, der Datumzeiger braucht niemals nachgestellt zu werden, einerlei, wieviel Tage der Monat hat. Auch der 28. Februar und selbst der 29. Februar werden ohne Zutun insofern von der Uhr vermerkt, als an diesen Tagen (richtiger in der betreffenden Nacht!) der Zeiger den großen Schritt von der 28 (bzw. 29, 30) auf die 1 des nächsten Monats vollführt. Auch die ,Jahreszahl stellt sich in der Neujahrsnacht um, und es finden sich immer Silvester-Nachtschwärmer, die interessiert zusehen kommen, wie diese Kunstuhr, nachdem sie 12 geschlagen hat, alle ihre Datumsangaben für das neue Jahr einstellt, langsam zwar, um dem Gehwerk die ganze Arbeit nicht auf einmal zuzumuten, aber doch deutlich sichtbar: Wenn der Wochentagzeiger mit seiner Bewegung fertig ist, setzt sich der Datumzeiger feierlich in Gang, danach stellt sich ebenso der Mo¬natszeiger auf Januar und zum Schluß verschwindet die alte Jahreszahl hinter dem Zifferblatt-Ausschnitt und zieht die neue Zahl aus dem Schoße der Ewigkeit herauf. Gerade diese langsamen, tatsächlich feierlich anmutenden Datum-Einstellungen bringen dem Be¬schauer eindringlich bei, wie die Zeit und. damit das Leben sich wandeln. So mancher hat das angesichts der Uhr bei ihren geheimnisvollen Kalender-Bewegun¬gen festgestellt. Für uns Fachleute ist alles das etwas durchaus natürliches, was aus dem weiteren Verlauf dieser Abhandlung hervorgehen soll. Erklärt man den Besuchern alles dies, und bringt man ihnen auch bei, daß so ein gänzlich automatisch arbei¬tendes Kunstwerk dann keinen Sinn hätte, wenn es in all zu kurzen Zeitabständen auseinandergenommen würde, dann werden sie doch recht nachdenklich über die Uhrmacherkunst überhaupt, und gerade das kann uns allen recht sein. Führen wir doch zeitlebens eine Art Kampf gegen die Gleichgültigkeit und gar gegen den Unverstand, den breite Kreise unserer mühseligen Uhrmacherarbeit entgegenbringen. Dem Erbauer der Glashütter Kunstuhr, H. Goertz, schwebte vor, auf das Publikum einzuwirken zugunsten unserer Kunst, und das muß gesagt sein: Diese Uhr wirkt auf den Be¬schauer und läßt ihn ahnen, daß wir in unserem Be¬ruf noch weitaus mehr zu tun haben, und vieles mehr können und wissen müssen, als Besitzer von Uhren für bürgerlichen Gebrauch von der Uhrmacherei ahnen. Geheimnisvoll muten den Besucher auch die anderen Angaben der Uhr an, wie die Zeiger für Sonnenauf- und -untergang rechts unten, die Sternzeit, die Wande¬rung der Sonne durch den Tierkreis unten Mitte, wobei viele Besucher nach dem jeweiligen Tierkreis¬zeichen fragen. Ein Zeiger (der konzentrisch zum Se¬kundenzeiger steht) gibt den Unterschied zwischen wahrer Sonnenzeit und der ausgerechneten mittleren Zeit an, die sogenannte Zeitgleichung. Gerade hierzu wünschen viele Interessenten eine Erklärung, die ihnen zuteil wird auf der Grundlage, daß die Erdbahn kein Kreis ist, sondern eine Ellipse. Dabei freuen sie sich sichtlich, erinnern sie sich doch ihrer Schulzeit, in der von solchen himmlischen Dingen die Rede war. Hin und wieder taucht auch noch ein ganz Alter auf, der noch weiß, daß es einmal eine besondere „Bahnzeit” (der Eisenbahn) gab, und daß die Ortszeit bis zu einer halben Stunde anders sein konnte. Sie erzählen dann, daß man selbst bei einer nur kleinen Reise (nach Ost oder West, nicht nach Nord oder Süd!) sogleich bei An¬kunft im neuen Ort als erstes seine Uhr nach der Zeit des Besuchsortes umzustellen hatte, daß man dazu den Uhrschlüssel immer bei sich tragen mußte, und daß diese Verschiedenheit der Ortszeit ein ähnlich uner¬schöpflicher Gesprächsgegenstand war wie das Wet¬ter. Kurz, es wird manches unterhaltende, auch ergötz¬liche Gespräch vor dieser Uhr ausgelöst. |
Viel Interesse findet die Darstellung der Mondbewe¬gung (links unten), ob erstes oder letztes Viertel ist, oder Neumond oder Vollmond. In Bild 1 sieht man rechts das Mondbild im zweiten Viertel, die Schatten¬seite ist schraffiert. So sieht die Mondscheibe in der Natur aus. Anders bei Goertz. Links in Bild 1 steht der Mond seiner Kunstuhr auch im zweiten Viertel, die Schattenseite hat aber unnatürliche Form. Goertz hat das Mondbild mittels einer Scheibe dargestellt, streng nach dem Vorschlag von Brocot, während doch nur eine Kugel die tatsächliche Mondform wiederzu¬geben vermag. Von Anfang an mußten wir uns oft genug von Be¬suchern darauf hinweisen lassen, daß der Mond doch gar nicht so aussehe wie an unserer Kunstuhr. (Er erscheint oben am Zifferblatt über der römischen Ziffer XI, Titelbild.) Nur wenn gerade Mondfinsternis ist, dann fehle irgendwie, in irgendeiner Phase der Finster¬nis, so ein kreisteilförmiges Stück der Mondscheibe, wie hier bei unserer Uhr! Diese Kritik müssen wir aller¬dings einstecken. Darum wird bei der jetzigen Über¬holung „den Mond umgearbeitet”. Er wird als eine halb vergoldete, halb geschwärzte Kugel erscheinen, und viel größer als bisher. Das geschieht im Sinne des Erbauers Goertz, der sich oft genug über die berech¬tigte Kritik an seinem Mondbild geärgert hat. Es waren noch mehrere Umbauten nötig. Goertz selbst hatte sie vor, er wollte der Uhr nur erst einmal eine Pause gönnen, und sich ebenso sehr. Die Lähmung, die ihn in den letzten acht Jahren seines Lebens nicht mehr vom Bett losließ, hat ihn an der Ausführung der geplanten Verbesserungen gehindert. Er hat es dem Schreiber dieser Zeilen als Vermächtnis hinterlassen, sein Kunstwerk zu vollenden. Es gibt viele Kunstuhren, die wesentlich reichhaltiger sind als unsere Goertz-Uhr. Besonders in ferner Zeit, als die Astrologie, der Vorläufer der Astronomie, das Leben vieler Menschen meist in unheilvoller Weise tief beeindruckte, entstanden viele Kunstuhren, aber eigentlich nur zu dem Zweck, den Lauf der Planeten darzustellen, neben Kalenderangaben. In Museen findet man sie heute, längst außer Betrieb; denn mit primitiven Mitteln hergestellt, hatten sie keine lange Lebensdauer. Die wertvollsten derartigen Uhren sind wohl hin und wieder vorgerichtet worden, auch tech¬nisch modernisiert hat man sie, aber das sind Ausnahmen. Schwierigkeiten hat immer die äußere Form gemacht. Die meisten dieser Kunstuhren haben etwas altar¬artiges an sich, sie sind mit Ornamenten überladen, mit Sinnsprüchen versehen, und alle möglichen Stilarten sind herangezogen worden. Dazu sind ihrer viele von regelrechten Bastlern erzeugt worden, die es ver¬schmäht haben, die unumgänglich notwendigen handwerksmäßigen Fertigkeiten vorher zu erwerben, sie waren Naturtalente. |
Da sich Goertz gewissermaßen auf eine Gebrauchsuhr beschränkt hat, also ohne Astrolabium und dergleichen, so ist etwas technisch Abgerundetes entstanden. Das Bild 2 zeigt, daß eine Art Dielenuhr entstanden ist, wie sie einer repräsentativen Halle würdig ist. Wohl hat er sich von Künstlern und von Kunsthandwerkern beraten lassen, aber tief beeinflussen ließ er sich nicht. Das wäre auch gegen seine Ehre gegangen; denn er wollte von All und Jedem selbst der Meister sein. So hat er schließlich auch sein Gehäuse selbst entworfen. Es ist zeitgebunden an die zwanziger Jahre dieses Jahr¬hunderts. Es ist massig und kann es auch gar nicht anders sein bei dem großen massigen Zifferblatt. Holz-technisch stellt es ein anerkanntes Meisterwerk dar, und ein wie großartiges, das hat der Schreiber dieser Zeilen jetzt bei der Überholung des Werkes erneut festgestellt: Das Gehäuse ist in jeder Hinsicht, nach nunmehr 30 Jahren, noch wie neu. Der Erbauer die¬ser Kostbarkeit ist B. Reichel, ein Glashütter Kunst¬tischler. Am meisten bedrückte den Erzeuger der Kunstuhr, Goertz, daß das Werk nicht als Ganzes aus dem Ge¬häuse genommen werden konnte, wie es darum auch nicht als Ganzes eingesetzt werden kann. Dies haben wir jetzt geändert; denn für eine spätere Generation wäre es eine schwer zu lösende Aufgabe geworden, das Werk zu überholen. Schon daß das Zifferblatt und vorher die vielen wundervoll ausgeführten Zeiger abge¬nommen werden mußten, während das Werk sich noch im Gehäuse befand, war eine höchst unbequeme Arbeit. Sie war auch insofern gefährlich, als in unbe¬quemen Körperstellungen mit gefährlichem Werkzeug zu hantieren war, gefährlich in bezug auf Ausrutscher. Und nun erst die Montage! Das Zifferblatt richtig aufzusetzen, war wohl dem Erbauer Goertz möglich und auch seinem Nachfolger in der Pflege der Uhr. Jedoch ein Kunststück war es insofern, als ein Teil des Ka¬lenders, vor allem die Jahreszahl-Weiterstellung, sich auf der Rückseite des Zifferblattes befindet. Es gehörte guter Glaube dazu, daß die Verzahnungen an den be¬zeichneten Zähnen und Lücken ineinander geraten wür¬den, sehen konnte man nichts davon. In den Jahren, nachdem die Uhr fertig war, gab sie Goertz zu so mancher Ausstellung, um einen Käufer zu finden. Bei diesen gefährlichen Montagearbeiten, im Wust einer werdenden Ausstellung, sah er ein, daß ein gründlicher Umbau der Werkbefestigung unum¬gänglich notwendig, ist. Nunmehr ist der Einbau des Werkes so ausgeführt worden, wie es sich von Anfang an gehört hätte: Das gesamte Werk wird in der Werkstatt fertig montiert. Daraufhin wird es in das Ge¬häuse geschoben wie jedes andere Werk und mit zwei Werkschrauben befestigt, auch ganz und gar wie bei jedem Regulator. Hier an der Goertz-Uhr konnten seitlich keinerlei Glasfenster angebracht werden, weil dies einmal holztechnisch nicht zu empfehlen war, und weil andererseits die Schächte für die Gewichte den Raum seitlich des Werkes für sich beanspruchten. Es mußte die Fallhöhe im ganzen Gehäuse ausgenutzt werden, damit die Gangdauer von über einem Monat herauskam. Unser neuer Tragstuhl, der die Verbindung zwischen Werk und Gehäuse herstellt, muß hier besonders mas¬siv ausgeführt sein, wirkt doch der Zug der etwa 25 kg schweren Gewichte auf Werk und Tragstuhl ein. Da der Zug der Drahtseile, an denen die Gewichte hängen, schräg nach oben erfolgt, so muß der Tragstuhl nicht wie sonst nur nach unten gestützt werden, sondern auch nach oben. Goertz war nicht mehr dazu ge¬kommen, Einstelleinrichtungen für die verschiedenen Zeigerangaben einzubauen. Zum Beispiel durch Verdrehen der Zeiger allein war der Sonnenauf- und -untergang bisher nicht richtig zu stellen. Um vollkommen zu sein, muß dieser Teil des Werkes unabhän¬gig von den übrigen Teilwerken einstellbar sein. |
Bild 3 zeigt die jetzige Vervollkommnung. Es ist nunmehr eine axiale Verschiebung eines der übertragenden Räder möglich, mittels des Knopfes K, sodaß bei U zwei Räder außer Eingriff kommen. Die Feder F wird die Welle wieder zurückdrücken und den Eingriff wieder herstellen. Mittels dieser neu geschaffenen Ein¬richtung ist es einfach, den höchsten und den tiefsten Zeigerstand zu suchen, ehe die Zeiger endgültig einge¬stellt werden. Diese Vervollkommnung hielt schon der Erbauer für erforderlich. Er kannte natürlich seine Uhr und ihre kleinen Tücken genau und was ihn selber betraf, so war er allen möglichen Einstellungen ge¬wachsen. Er hatte sich so manchen Trick dafür ausge¬dacht und sein unmittelbarer Nachfolger (der Schrei¬ber dieser Zeilen) weiß vollauf Bescheid damit, aber was hätte die nächste Generation ohne Kenntnis so mancher Absonderlichkeit dieser Uhr angefangen? Die Uhr ist derart gut ausgeführt, und aus derart erst¬klassigem Material hergestellt, daß sie viele Jahr-hunderte lang gehen kann, wenn immer jemand da ist, der Bescheid mit ihren Eigenheiten weiß. Wo diese Eigenheiten, trotz schriftlicher Niederlegung, in Ver¬gessenheit geraten könnten, dort mußte die Uhr ver¬vollkommnet werden. Das ist nun geschehen, zumal sie ein Stück Volkseigentum von überaus dauerhaftem Wert ist. Hier in diesem Bild 3 kann der Stellknopf K die Rolle spielen, von der in so mancher Legende über Kunst¬uhren die Rede ist, wenn nämlich erzählt und immer wieder weitererzählt wird: Der Erbauer der Uhr (oder einer seiner Nachfolger) habe bei einer Störung in der Uhr in das Werk hineingegriffen, eine nur ihm be¬kannte Verstellung darin vorgenommen, und schon war die Uhr wieder in Ordnung! In unserem durch und durch technischen Zeitalter wird es einfach heißen: Der Sachverständige hat die Uhr richtig eingestellt. Und gleich gar nicht mehr darf in unserem humani¬stischen Zeitalter die furchtbare Legende wieder ent¬stehen: Nachdem das Kunstwerk fertig war, ließ der grausame König dem Künstler die Augen ausstechen, damit er niemandem ein zweites derartiges Werk erbauen könne! |
Jener ferne Tag muß als ein glücklicher bezeichnet werden, an dem Goertz das Bild 4 in die Hände fiel: Ein ewiges Kalenderwerk einfacher, aber vollkom¬mener Bauart. Der Erfinder ist nicht bekannt. Der Uhrmacher J. Wagner beschrieb es 1890 auf eine Anfrage hin aus dem Gedächtnis, er hatte es vor langen Jahren in einer alten Dielenuhr vorgefunden. Beach¬tenswert an dieser alten Zeichnung ist vor allem die zusammengedrängte Bauart. Beinahe alle wichtigen Teile sind auf das immer notwendige 31zähnige Datumrad A montiert, das an seinen Sperrzähnen ekenntlich ist. Nur auf Einzelheiten des antreibenden Rades konnte sich Wagner seinerzeit nicht mehr be¬sinnen. Darum schon jetzt ein Blick auf Bild 5, be¬sonders auf das bei jedem Datumwerk notwendige 24-Stundenrad, dessen deutlich schwarz gezeigter Stift S soeben beginnt, einen Sperrzahn des Datumrades weiter zu schieben. In beiden Bildern soll das sogenannte Schaltrad B auffallen. Dasselbe ist auf dem 31zähnigen sperradartigen Rade A konzentrisch gelagert, so daß es sich auf die¬sem Rade für sich drehen kann. Auf dem Schaltrad sind die verschiedenen Monatslängen für vier Jahre eingeschnitten, an den Schenkeln sind drei Februare mit 28 Tagen zu sehen und am vierten Schenkel der Februar des Schaltjahres mit 29 Tagen, bezeichnet mit 1 und mit einem Punkt deutlich hervorgehoben. In Bild 4 ist C, h, i ein dreiarmiger Hebel, dessen Arm mittels seines Stiftes s gerade in die tiefe Februarlücke eingedrungen ist, wozu ihn die Feder c zwingt. Um denn langen Arm C des Hebels kümmern wir uns hier absichtlich nicht; denn der seinerzeitige Beschreiber die¬ses Mechanismus ließ es dahingestellt sein, wie das Hebelende wirklich sein müsse. (Wir erfahren es bald!) Um den Stern D kümmern wir uns jedoch. Er hat 6 Zacken und ist auf einem 6zähnigen Trieb befestigt. Dasselbe ist durchbohrt und dreht auf einem Stift, der im 31zähnigen Monatsrad A sitzt. Es ist klar, daß das Schaltrad B vom Trieb weitergedreht wird, wenn der Stern gedreht wird. Das Ganze dreht in der Pfeilrichtung rechtsherum, und wenn die nach außen ste¬hende Sternzacke das Klöbchen G berühren wird, dann muß der Stern sich um ein Sechstel weiterdrehen und das 6er Trieb dreht das Schaltrad B (das Vierjahres¬rad!) um eine Lücke, also um einen Monat weiter. Die Kopffeder d ist selbstverständlich nötig, damit die erzielte neue Stellung des Sternes und damit auch des Schaltrades gesichert bleibe; denn nur dadurch kann der Stift s des die Monatslänge abfühlenden drei¬armigen Hebels seine jeweilige Lücke richtig finden. Wie aber kommt der Stift s aus der Lücke wieder heraus, wenn der Stern weiterschalten will? Recht einfach! Wenn das 31zähnige Datumrad um vier Tage weitergeschaltet sein wird, dann wird der kurze Arm h von dem Kloben H erfaßt werden, der dreiarmige Hebel wird dadurch links herum gerade soweit gedreht werden, daß der Stift s dem Bereich der Monatszähne entrückt ist. Wenn es so weit ist, dann wird sich der Stern am Klöbchen G selber weiterschalten. Daran wird er nunmehr vom Stift s nicht gehindert, das Trieb unter dem Stern kann jetzt das Schaltrad drehen. Ist dieses Weiterschalten beendet, dann wird, weil ja das 31zähnige Rad Tag für Tag um einen Zahn weitergedreht wird, der kurze Arm h bei k vom Kloben H abgleiten, der Stift s springt in seine neue Lücke ein und damit ist die Länge des laufenden Monates vorbereitet. Die Kopffeder f ist selbstverständlich auch notwendig, damit die Stellung des 31zähnigen Datum¬rades und damit auch die Zeigerangabe gesichert sei. In Bild 5 ist diese Kopffeder, wie es Goertz getan hat, durch einen federgedrückten Hebel mit der Rolle R ersetzt worden. Das verzehrt weniger Kraft als die Feder f in Bild 4. Hier folgt das, was der Beschreiber des Bildes 4 nicht zu erklären vermochte: |
In Bild 5 erkennen wir den dreiarmigen Hebel wieder. (Um eine einheitliche Darstellung zu ermöglichen, mußte er auch hier schraffiert werden wie in der alten Abbildung 4, ob es nun normengerecht ist oder nicht!). Es ist hier so, als sei der dreiarmige Hebel überhaupt nicht vor¬handen, wenigstens nicht für den Stift S des 24-Stun¬den-Rades; denn das äußerste Ende des Hebels deckt sich mit dem Zahn, auf dem es gerade steht. Wir haben einen Monat von 31 Tagen. Da schaltet das 24-Stunden-Rad die 31 Zähne weiter von Tag zu Tag, un¬beeinflußt vom dreiarmigen Hebel. |
In Bild 6 dagegen ist der Fühlhebel in eine tiefere Lücke eingedrungen, die 30 Tage ergibt. Jetzt greift der schwarze Stift schon eine halbe Teilung vor dem Zahn (bei A) an. Er führt das Ganze bis B, das sind auf das Genaueste zwei Teilungen! Es hängt also zuerst von der Lückentiefe ab, ob der Weg von A bis B genau zwei Teilungen ausmacht, aber auch von den Hebellängen. |
Nunmehr ist zu Bild 7 kaum noch etwas zu bemerken. Daß es sich um 29 Tage handelt, ist an dem wiederum tieferen Einschnitt zu ersehen, der auch durch den schon erwähnten Punkt als Schalt¬monat gekennzeichnet ist. Der Abstand von A zu B entspricht auch hier genau den erforderlichen drei Teilungen. Man messe nach! |
Alles an Bild 8 ist nunmehr selbstverständlich. Der schwarze Stift S des 24-Stundenrades in Bild 5 dreht in jedem Falle, es handele sich um das normale tägliche Weiterschalten an den Sperrzähnen oder um den langen Weg an dem herausgetretenen langen He¬belende, um eine oder mehrere genaue Teilungen wei¬ter. Es wird der Rolle R in Bild 5 niemals zugemutet, ihrerseits für das letzte Stückchen Weges zu sorgen, obwohl sie das sehr gut vermöchte, wie wir von den alten Rechenschlagwerken her wissen, die Stern und Staffel haben. Jedenfalls handelt es sich hier bei dem Datumwerk um einen vollkommenen Zwangslauf¬mechanismus. Statt des Stiftes, der nach Bild 4 in die Monatslücken eindringt, sehen wir in den weiteren Abbildungen einen Finger. Einmal wird dadurch an Bauhöhe ge¬spart. Kann der dreiarmige Hebel doch neben dem Schaltrad gehen, anstatt wie beim Stift darüber! Zum anderen kann der Finger schmäler sein als ein Stift. Dadurch können die Lücken geradlinig eingefräst werden, wie ersichtlich, während sie in Bild 4 krumm sein müssen. Was bei den geradlinigen. Lücken etwa die Zähne dünner werden müssen, das kann durch dickere Zähne des 6er Triebes, unter dem Stern, mit Leichtig¬keit ausgeglichen werden. Wie bereits erwähnt, hängt die Genauigkeit auch von den Hebellängen ab. Es wurde herausgefunden, daß der lange Arm acht und eine halbe Teilung lang sein mußt der kurze drei Teilungen. Gewiß kann man durch vorsichtiges Dosieren der Lückentiefe den richtigen Weg für das Weiterrücken beim kürzesten Monat herausfinden, aber dann ist fraglich, ob die anderen weniger kurzen Monate gleichermaßen um die vollen Teilungen weitergerückt werden. Der Achsenabstand vom 31zähnigen Datumrad zum 24-Stundenrad wird folgendermaßen gefunden: Der Halbmesser des Datum¬rades wird in 10 Teile geteilt, dann ergeben 18 dieser Teile den Achsenabstand. Der schwarze Stift im 24-Stundenrad wird derart gesetzt, daß er mit recht ge¬ringem Abstand am Eintrittszahn vorbeigeht und am Austrittszahn so, daß er den Zahnrücken beinahe be¬rührt. Dann erfaßt der schwarze Stift den weiterzu¬schiebenden Zahn mit Sicherheit, die Überschneidung beträgt in der Goertz-Uhr einen Millimeter. Wenn die hier gegebenen Verhältnisse eingehalten werden, dann ist der vollkommene Zwangslauf dieses Mechanismus gesichert. An den Bildern 7 und 8 kann man auf die Frage kom¬men, wie denn der schwarze Stift in seine Lücke eindringen kann einen Tag v o r der Stellung, die in den Bildern vorgeführt wird. |
Bild 9 zeigt, daß er leicht imstande ist, sich Platz zu schaffen, er schiebt einfach den langen Arm in die Stellung S. Die Feder, die überall in den Abbildungen auf den kurzen Arm drückt, stellt die rechte Stellung wieder her, wenn der Stift fort ist. Hundertmal sind wir von Besuchern gefragt worden, was denn aus unserer Kunstuhr werden wird, wenn die Kalender-Reform kommt! Dann setzen wir ein neues Schaltrad ein mit, den einfacher gewordenen Lückentiefen. Es fallen dann die 28er und die 29er Monate hinweg. Es haben zwei Monate hintereinander 30 Tage, und der dritte deren 31. Es kommt dann nur noch die neutrale Stellung für 31 Tage in Betracht, nach Bild 5, und für die Monate mit 30 Tagen die Stel¬lung nach Bild 6, die schwierigen Hebelstellungen für 29 und 28 Tage entfallen. Das hier in der Goertz-Uhr angewendete Kalenderwerk ist auch für Armbanduhren gut geeignet, weil es alle Teile zusammengedrängt enthält. |
Nach der Kalenderreform wollen wir es wie in Bild 10 vorgeführt bauen. Das Schaltrad B hat sperradähnliche Zähne. Es wird nicht mehr durch einen Stern mit Trieb weitergedreht, sondern durch die Sperrklinke H samt ihrem Sperr¬kegel. In dem dargestellten Augenblick ist das Weiterrücken soeben beendet worden, beim nächsten Drehen des 31zähnigen Rades wird die Sperrklinke unter dem Druck ihrer Feder G zurückschnellen und sieh an den Anschlag L anlehnen. Bei N zeigen zwei Stifte an, daß die zum Sperrkegel gehörige Feder im Sperrkegel sel¬ber befestigt ist, und daß sie sich an den Fuß der Feder G anstemmt. Auf diese Weise kann die Sperrklinke samt ihrem Sperrkegel besser den großen Weg zurücklegen, als wenn, wie sonst üblich, die Sperr¬feder auf den Kegel drückt. Hier ist übrigens auch vorgeführt, wie mittels des Armes D (h in Bild 4) der Fühlhebel aus der Monats¬lücke herausgezogen wird, damit der Sperrkegel das Schaltrad weiterdrehen kann. Diese Bauart wäre, 'auch ohne Kalender-Reform, für Armbanduhren besonders geeignet, weil sie ein Stockwerk niedriger ist als die nach Bild 4. Dort hat man über dem 31zähnigen Rad, das als erstes Stockwerk gilt, das Schaltrad als zweites Stockwerk, und darüber als drittes noch den Stern, zusammen drei Stockwerke. In Bild 10 entfällt der Stern. Alle Teile, Hebel, Federn usw. gehen neben dem Schaltrad, der Bau ist also um ein Drittel niedriger als nach Bild 4. Falls dieses verbesserte Datumwerk noch v o r der Kalender-Reform angewendet werden würde, dann wäre es ein Leichtes, die Lücken im Schaltrad gemäß den alten, jetzigen Monatslängen einzufräsen. Die Lückenbreite wäre mehr, als ausreichend für den grö¬ßeren Hub, und alles würde bleiben wie in Bild 10 dargestellt. Der Hebel H muß hier kürzer sein als der Arm D, damit H nicht an dem Kloben K antreffe und somit ein zweimaliges Weiterrücken des Schaltrades stattfinden könnte. Es möchte aber der Arm D auch nicht an dem Stift A antreffen; denn das wäre ein un¬nötig kraftverzehrender Hub für den dreiarmigen He¬bel. Dieses kleine Problem ist gelöst durch die Anordnung nach I in Bild 10. Der Hebel H der Sperrklinke ist nach unten gekröpft, und der Stift A ist so kurz, daß der Arm D über ihn hinweggeht. In einer Armbanduhr würde sowohl der Stift A als auch der Kloben K durch geschickt angeordnete Vorsprünge in den Ausfräsungen dargestellt sein. Wie man den dreiarmigen Hebel und die Sperrklinke lagert, ohne daß ein Schraubenkopf die Bauhöhe vermehrt, zeigt die Teilzeichnung II des Bildes 10. Am Hebel ist ein Stift aus dem Vollen herausgedreht worden, was viel einfacher ist, als einen Stift einzusetzen. Das Futter F wird, natürlich nachdem die Teile zusammengesteckt Wurden, auf dem 31zähnigen Rad R vernietet, und wenn die konische Bohrung in R richtig war, wird sich der Hebel sauber drehen, ohne zu wackeln. Lösbar ist diese Verbindung danach nicht, wozu sollte sie es auch sein! Der Sperrkegel S kann seinen Platz niemals verlassen, sitzt er doch auch auf einem aus dem Vollen gedrehten Zapfen, und S und H liegen ja gemeinsam auf R auf. Es sei noch bemerkt, daß die beiden Stifte N im Sperr¬kegel nur des leichteren Verstehens wegen eingezeich¬net wurden, die Feder soll fest im Kegel sitzen. Das übliche Einklemmen in einem Schnitt des Kegels würde völlig genügen. Keine Kalender-Reform kommt um den Schalttag herum, den jetzigen 29. Februar. Geplant ist alle vier Jahre ein gewissermaßen eingeschobener Tag, der weder einen Wochentagsnamen noch eine Datumzahl erhalten wird, ein wahrhaft namenloser Tag. Er ist als allge¬meiner Weltfeiertag gedacht, zweifellos ein glücklicher Gedanke. In diesem Feiertag müßten auch die Ka¬lenderuhren feiern, sie müßten angehalten werden, damit sie nicht aus dem Takt geraten. Um die Phasen des Mondes der Natur entsprechend darstellen zu können, nämlich durch eine Kugel und nicht, wie bisher, mittels einer Scheibe, war eine völ¬lige Neukonstruktion einschließlich des Antriebs notwendig. |
In Bild 11 sieht nunmehr der Beschauer in der Richtung B auf diejenige Kugelhälfte, die sich ihm im oberen Bogen des Zifferblattes (das Himmelsge¬wölbe darstellend) darbietet. Es ist im Augenblick die schwarze Neumondseite N. Hinter der schwarz gezeich¬neten Achse, die hier recht dünn sein muß, befindet sich die besonnte Seite S, augenblicklich im Innern der Uhr. Wie beide Hälften auf die Achse gesteckt, inein¬ander gefügt und zusammengeschraubt werden, ergibt sieh aus dem Bild von selbst und fertig zusammenge¬schraubt aus Bild 12. Als Vollkugel konnte dieser Mond des zu großen Gewichtes wegen nicht hergestellt werden. Die Teilung in zwei Hälften ist außerdem ange¬nehm, als sich eine jede gut vollenden läßt, die Neu¬mondseite schwarz gebeizt, die Sonnenseite vergoldet. Dadurch ergibt sich die haarscharfe Trennlinie zwi¬schen Schwarz und Gold, wie sie der Natur entspricht; denn auf dem Mond gibt es bekanntlich nur Nacht-schwarz und Sonnenhell, scharf getrennt, ohne Däm¬merungszone dazwischen. In Bild 11 ist bei V die Achse unterbrochen gezeichnet. Hier denke man sich ein Stück Welle eingefügt, beinahe so lang, wie der Monddurchmesser ist. Dadurch gerät die Kugel höher und somit weiter ab aus der Ge¬gend von M, die hinter dem Zifferblatt zu bleiben hat. In beiden Abbildungen ist H der hohl gewölbte Himmelsbogen im oberen Zifferblatt. Bedingung ist für naturgemäße Darstellung, daß die Achse von vorn nicht zu sehen ist, daß also kein Durchbruch des Zifferblattes für sie nötig ist. Das ist auch der Grund für ihren geringen Durch¬messer. |
In Bild 12 ist wiederum H der Himmelsbogen, der in das Zifferblatt Z übergeht. Man erkennt, daß die Mondkugel an ihrem Äquator tatsächlich zur genauen Hälfte herausragt. Gerade dies ist nötig zur genauen Darstellung, besonders von Vollmond und Neumond. Man sieht aus Bild 11, daß die dünne Mondachse sich mittels eines Decksteines, den man ihr unten ange¬schuht hat, auf das leicht abgerundete Ende eines fest montierten Stiftes W stützt, wodurch leichter Lauf der Mondkugel erzielt wird. Auf diesem wechselradstift¬ähnlichem W läuft ein schräggezahntes Rad, das bei M einen Mitnehmerstift trägt, der an dem waagerechten Stift der Mondwelle anfaßt und sie dreht. Selbstver¬ständlich sitzt ein zweiter senkrechter Stift im Rad, damit der waagerechte Stift gabelartig und somit ohne Hin- und Herwackeln geführt wird. Wir haben hier eine gelenkige Übertragung, wie sie dem Uhrmacher von den langen Zeigerleitungen der Turmuhren her wohlbekannt ist. Angetrieben wird das auf W sitzende, schräg gezahnte Rad von dem großen Rad, das auf der senkrechten Welle, fest mit ihr verbunden, sitzt. Die Welle wird gedreht mittels des Kegelrades K, das drehbar auf der Welle sitzt, wie D andeutet, aber durch die Schrauben¬feder angebremst wird. Der schwarz gezeichnete Vor¬steckstift unten an der Welle hält K an seinem Platz. Dreht man oben am Stellknopf, so drehen die beiden schräggezahnten Räder mit, und damit ist die Mond¬kugel einstellbar. Da die Kegelräder über das Rad A hinweg kraftschlüssig mit dem Gehwerk verbunden sind, so bleiben sie beim Drehen am Knopf stehen, ganz wie das Minutenrad beim Stellen des Amerikaner-Weckers stehenbleibt, von dem unsere senkrechte Wel¬len-Konstruktion entlehnt ist, wie der Uhrmacherleser längst bemerkt hat. |
Daß zwei Räder in Bild 11 schräg verzahnt sein müs¬sen, geht aus Bild 13 hervor, ihre Achsen stehen näm¬lich zweimal schräg zueinander. Das ergibt sich aus dem bescheidenen Raum, den die vielen anderen Teile der Uhr für unser neues Mondwerk gerade noch übrig lassen. Der Erbauer Goertz war diesen schräggezahnten Rädern abgeneigt, zumal sie gleichzeitig ein wenig Kegelrad sein müssen, es war zu seiner Zeit auch reichlich schwierig, sie herzustellen. Man kann sie zum Beispiel nicht passend zueinander wälzen. Heute jedoch, da die Glashütter Fachschule mit den modernsten Ma¬schinen ausgestattet worden ist, gilt es als normale Arbeit, schräggezahnte Kegelräder von der hier nötigen Größe herzustellen. Dieser gesamte Neubau des Mond¬werkes wurde ausgeführt von dem künftigen Betreuer der Kunstuhr, Kollegen Heinz Sauerwald, Uhrmacher¬meister und Fachschullehrer an der Glashütter Fachschule für Feinmechanik und Uhrentechnik. |
Außer dieser Einstellmöglichkeit für den Mond wurde auch für die übrigen Teilwerke nunmehr ein Nachstellen ermöglicht; denn wenn nach der Kalender-Reform die Uhr am Schalttag, dem namen- und datum¬losen, angehalten werden muß, dann sind am nächsten Tag der Mond, die Tageslänge, die Zeitgleichheit, die Sternzeit um einen Tag nachzurücken. Dazu wurde jetzt die Möglichkeit geschaffen, besonders auch, damit nach künftigen Überholungen der Uhr das Einstellen jeden einzelnen Teilwerkes leichter als bisher und auf das Genaueste vorgenommen werden kann. |
Alles kam beim Bau der Uhr an auf lange Ölhaltung an den Zapfen, damit das Werk mindestens ein Jahrzehnt lang gehen kann, ehe es wieder zu überholen ist. Goertz wendete Zapfen an, so dünn und dabei so hart, wie es für eine Großuhr gerade noch zulässig ist. Geflissentlich ging er großen Ölsenkungen aus dem Wege. Aber auf der Innenseite der Steine, am Zapfen¬ansatz, also bei Ö in Bild 15, stellte er eine Ölkammer her. Das hier aufgespeicherte Öl ist der Berührung mit der Luft entzogen, während eine Ölsenkung üblicher Art die Luft geradezu einladet, das Öl zu beeinflussen und zu schädigen. Goertz wendete durchweg Triebe mit hohen Zahnzahlen an, 16 Zähne waren für ihn das Mindeste. Da dies wegen der nicht sehr tief eingeschnittenen Lücken einen großen Kerndurchmesser ergibt, konnte er Zapfen¬ansätze so groß wie A in Bild 15 erzielen. Die Ansätze machte er regelmäßig rund, gewölbt, wodurch große Saugkraft entsteht, die allein imstande ist, das Öl im Lager festzuhalten. |
In Bild 16 ist die Lagerung aus den Genfer Präzisionsuhren in Erinnerung gebracht, wie der Stein auf der Ansatzseite gewölbt ist, natürlich wegen der großen dabei erzielten Saugkraft, der Kapilla¬rität; denn in Ö wird das Öl gewaltsam hineingezogen und festgehalten. Goertz sagte sich zweifellos mit Recht, es sei ein und dasselbe, ob flache Ansätze bei gewölbtem Stein oder gewölbte Ansätze bei flachem Stein angewendet werden. Jedenfalls hat er bei seiner Kunstuhr, wie auch bei seinen Präzisions-Pendeluhren, eine außerordentlich lange Ölhaltung erzielt. Wohlüberlegt gab er allen Wellen nur wenig Endluft (Axialspiel); denn ist sie reichlich, dann wirken die Zapfen¬ansätze ähnlich wie Pumpenkolben: Beim Hin- und Hergehen drückt sich das Öl am Zapfenansatz .vorbei und entläuft. Daß es immer ein Kunststück ist, die genau richtige Menge Öl zu geben (vor allem niemals zuviel!) und daß dies bei einer langgehenden Kunst¬uhr eine Hauptursache ist, hat Goertz wohl beachtet. Seit der letzten Überholung blieb die Kunstuhr 16 Jahre lang in Gang, und das Öl wäre noch brauchbar genug gewesen für einige Jahre. Was hätte es auch für einen Sinn, wie schon erwähnt, einen „ewigen Kalender” zu bauen und ihn dann in sehr wenig ewigen Zeitab¬schnitten immer wieder auseinandernehmen zu müssen. Jetzt nach dem Neubau des Tragstuhles, da das Werk im Handumdrehen als Ganzes aus dem Gehäuse ge¬nommen werden kann, ist es ein Leichtes, die Uhr nach¬zuölen. In Bild 15 ist noch bemerkenswert, daß Goertz nicht das Rad unmittelbar auf das Trieb aufnietete. Dauerhaft aufgenietet hat er, nur die Scheibe S, das Rad R wurde sodann auf die Scheibe aufgeschraubt. Da die Scheibe S erst nach dem Aufnieten endgültig rund und flach gedreht wurde, selbstverständlich zwischen Spitzen, und der Paßdurchmesser im Rad genauestens rund zu der Verzahnung gedreht wurde, so war voll¬kommenes Rundlaufen gewährleistet. Und dabei die Annehmlichkeit, das Rad gesondert vollenden zu kön¬nen und es eventuell leicht auswechselbar zu haben! Kein Zapfenende hat Goertz abgerundet. Er beließ den Körner, damit die Zapfen, wenn einmal nötig, zwischen Spitzen laufend, nachpoliert werden können. Auch die Ecke am Ansatz rundete er aus wie Trompetenzapfen, war doch die Haltbarkeit dadurch wesentlich erhöht, und Raum genug für die Trompete ist in der inneren Ölsenkung vorhanden. An allen seinen Trieben suchen wir vergeblich nach Unterdrehungen, den sogenannten Stichen, mit denen, wie er sagte, eine Uhrmachergeneration die andere schindet, und für die der Maschinenbau noch niemals Verständnis gehabt hat, etwa nicht mit Recht? |
Wie Goertz Zapfen in Messing lagerte, und wie er dabei das Öl nach Möglichkeit dem Einfluß der Luft ent¬zog, zeigt Bild 17. Wesentlich ist dabei die Bohrung, die die beiden Kammern miteinander verbindet. Wäre es nicht vorhanden, dann würde bei Luftdruck¬schwankungen das Öl am Zapfen vorbei gepreßt werden. Es ist dabei nicht unwahrscheinlich, daß es schlie߬lich abfließt. Die Bohrung aber - man kann sie „Eusta¬chische Röhre” nennen - läßt den Druckausgleich zu. Sollte wieder eine Kunstuhr gebaut werden, dann sei geraten, ein besonderes Laufwerk vorzusehen für das Weiterrücken des Wochentages, des Datums, der Tageslänge, des Mondlaufes usw. Während bei der Goertz-Uhr das Gehwerk andauernd mit dem Weiterrücken be¬lastet ist (nur außer Wochentag und Datum), brauchte es nur nachts 24 Uhr dieses zusätzliche Laufwerk aus¬zulösen. Das würde die Sicherheit erhöhen, obwohl die Goertz-Uhr auch ohne ein derartiges zusätzliches Laufwerk alle ihre Aufgaben zuverlässig erfüllt. Lohnend will es allerdings nicht erscheinen, für die nur einmal in 24 Stunden nötige Arbeit des Weiterrückens ein besonderes Laufwerk einzubauen. |
Darum ist man auf folgenden Vorschlag zugekommen: In Bild 18 ist ge¬zeigt, wie der Stundenhammer, wenn er gehoben wird, mittels einer ihm angelenkten Sperrklinke die Zähne eines Sperrades weiter schiebt. Dieses Rad hat so viel Zähne, wie der Stundenhammer in 24 Stunden zu: schlägt. Es ist gewissermaßen das Aufzugrad eines darunterliegenden Federhauses. Die Zugfeder darin wird in 24 Stunden um einen Umgang aufgezogen, und nachts 24 Uhr erfolgt die Auslösung durch das Gehwerk, wodurch die aufgespeicherte Kraft, einen ge¬nauen Umgang ablaufend, alle Nebenwerke weiter schiebt. Bedingung dabei ist, daß das Federhaus lang¬sam abläuft, was durch zwei zusätzliche Räder, wie die Anlaufräder beim Schlagwerk, sowie einen Windfang in üblicher Weise zu erzielen ist. Die Anlaufräder sind wen des Auslösens ohnehin nötig. Das Rechenschlagwerk der Goertz-Uhr ist völlig ge¬räuschlos. An Stelle des Schöpfers arbeitet ein Trieb mit dem Rechen zusammen. Dieses Trieb sitzt auf einer Wippe und wird angetrieben von einem gleichgroßen Trieb, das auf die Welle des Hebnägelrades fliegend aufgesetzt ist. Die Wippe ist konzentrisch zum Hebnägelrad gelagert. Sie drückt zu gegebener Zeit das schwenkbare Trieb in den Rechen hinein und am Ende des Schlagens wieder hinaus. Diese gute Bauart, stammt von Uhrmacher Ruhnke, Berlin, 1890. Es ist beinahe peinlich, wenn man nach der Anzahl der Steine gefragt wird, die das Goertz-Werk enthält. Die Antwort ist immer unbefriedigend, vermutet man doch in einer derart großen Uhr Dutzende von Steinen, wenn nicht an die Hundert! In Steinen läuft lediglich die Hemmung (auch die Grahamklauen haben Steine) und die letzten zwei Räder des Schlagwerkes. Wie soll man in kurzen Ausführungen einem Laien klarmachen, daß sowohl in Pendeluhren als auch in Seechronometern zuviel Steine eher schädlich als nützlich sind. Schon die Zwischenradzapfen laufen in Messinglagern viele Jahre lang, ohne sich abzunutzen, wie die Erfahrung immer wieder gelehrt hat, während bei Steinlagerung die Zapfen eher Abnutzungsspuren aufweisen, natürlich nur bei zu großem Eingriffsdruck. Man muß dazu noch erklären, daß wegen der großen Zapfendrücke in See¬chronometern und in Großuhren eben andere Verhält¬nisse herrschen als in Taschen- und Armbanduhren mit ihren geringen Kräften. Alle Augenblicke wird man gefragt, ob und wie dem Temperatureinfluß begegnet wird. Die Uhr hat ein Rost-Kompensationspende nach Graham. Das paßt besser zu dem reichgeschmückten Zifferblatt (und Ge¬häuse) als das hier zu einfach aussehende Rieflerpendel, wenn dasselbe auch dem Rostpendel überlegen ist. 1910/11 hat schon einmal der Plan bestanden, in Glas¬hütte eine Kunstuhr zu bauen, die alle anderen noch übertreffen sollte. Viele Rückfälle in der Sterndeuterei waren dabei beabsichtigt und dazu viele bewegliche Figuren. „Großzügig” wurde von einem Ausschuß ange¬ordnet, daß die Lehrer der Uhrmacherschule (es waren seinerzeit ganze drei Mann) die Arbeit auszuführen hätten, nebenbei! Da sich bald herausstellte, daß dann der Unterricht auch nur „nebenbei” erteilt werden konnte, so verlief die Sache stillschweigend. Hermann Goertz ist am 2. April 1862 im ehemaligen Westpreußen, in Montauerweide bei Marienwerder ge¬boren worden. Da die Eltern in seiner frühesten Ju¬gend starben, wurde er von Verwandten in Berdjansk am Asowschen Meer aufgenommen. Goertz begann mit 15 Jahren seine Uhrmacherlehre in Berdjansk, arbeitete später in Odessa und weiterhin etwa 25 Jahre lang in Charkow. Dort war er neben anderem mit der Pflege der Präzisionsuhren und ähn¬licher Instrumente auf der Universitäts-Sternwarte betraut. Goertz wurde im Dezember 1918 die Rückwanderung ermöglicht, und er konnte und durfte so viel von seinem Besitz mitnehmen, daß er für mehrere Jahre die Uhr¬macherschule in Glashütte beziehen konnte, wo er seine Kunstuhr erbaut hat. Nach jahrelang vergeblich gebliebenen Bemühungen, die Uhr zu verkaufen, hat sie, der Sächsische Staat aus seinem Fonds „Künstlerhilfe” erworben, für 15 000 RM in bar und eine lebenslängliche Rente von jährlich 2000 RM. Diese hat er noch 16 Jahre lang bezogen. Er war in den letzten acht Jahren seines Lebens halbseitig gelähmt und verblieb, ans Bett gefesselt, im Altersheim zu Aue (Sa.). Goertz ist am 27. Dezember 1944 gestorben und in Aue beerdigt worden. Eigentlich ist es unnötig, daran zu erinnern, daß für die geplante Kunstuhr ein besonderer Pavillon in dem damals großen Garten der seinerzeit noch recht kleinen Uhrmacherschule vorgesehen war. Man bezweckte mit diesem gesonderten Pavillon, daß die Besucherscharen den Unterricht in der Schule nicht stören sollten, ein überaus vernünftiger Gedanke! Bedauerlich ist, so denken wir angesichts der Hunderte, die besonders im Sommer täglich in die Schule zur Besichtigung der Kunstuhr kommen, angebracht von Autobussen aus den fernsten Landesteilen, daß man seinerzeit nicht diesen entstörenden Pavillon baute. Zitiert aus: |
Der Aufbau der Uhr, ihre Wartung und Pflege
Werkansicht von der Zifferblattseite vor der Überholung
Um die Größe der Aufgabe zu verdeut¬lichen, sei erwähnt, daß allein zur Herstel¬lung des Zifferblatts etwa 700 Teile nötig waren. Über den Zifferblättern kreisen 17 Zeiger und zwei Anzeigescheiben. Im Uhrwerk bewegen sich 122 Räder und Triebe sowie 54 Hebel und Federn. Für die Lager kamen neben den üblichen Messinglagern und Anrichtstiften 12 Lochsteine und 1 Deckstein zur Anwendung. Zwei weitere Steine bilden die Paletten der Graham-Hemmung. |
Werkansicht von der Zifferblattseite nach der Überholung
Das Ganze wird von 411 Schrauben und 13 Muttern zusammengehalten. Ungeachtet der beschriebenen Besonder¬heiten ist die Goertzuhr eine Sekundenpendeluhr mit einem hochwertigen Kom¬pensations-Rost-Pendel. Die Gangabwei¬chung liegt in der Größenordnung einer Präzisionspendeluhr, die nur etwa drei Sekunden im Monat beträgt. Mit Hilfe von Umlenkrollen und losen Rollen konnte die gesamte Höhe des Gehäuses im Interesse einer großen Gangdauer genutzt werden. Die Uhr muß einmal im Monat aufgezo¬gen werden. |
Rückansicht des Werkes
Die Überholung der Uhr bedarf der wohlüberlegten Arbeit von Fachleuten, die ihr Handwerk verstehen. Da Goertz dieser Umstand geläufig war, er aber trotzdem ein Werk von großer Lebensdauer schaffen wollte, gestaltete er die Lager und Zapfen der Uhr so, daß sie eine sehr lange Öl¬haltung gewährleisten. Da nach den ersten beiden Überholungen in den Jahren 1938 und 1956, also nach einer 13jährigen bzw. im zweiten Fall einer 18jährigen Laufzeit, das Öl immer noch verwendbar war, ließ man die Uhr über einen noch längeren Zeitraum gehen. |
Ansicht der Werkplatten. Alle Lager des Hauptwerkes sind verschraubt.
Sie lief von 1956 bis 1984, 28 Jahre also, ohne die geringsten Beanstandungen in Bezug auf die Genauigkeit und die Anzeige¬vielfalt. Im Innern des Werkes wurden nach der Demontage im Jahre 1984 nur ganz ge¬ringe Abnutzungserscheinungen festge¬stellt. Das ist der hervorragenden Poli¬tur der Laufflächen und vor allem deren Härte zu verdanken. Ein geübter Uhrma¬cher ist sehr gut in der Lage, die Schäden zu beheben und den Originalzustand wieder herzustellen. |
Räder und Wellen sind ebenfalls verschraubt und können im Falle der Notwendigkeit demontiert werden.
Auch die notwendige Neuvergoldung eines Teiles der Räder und die Neuversilberung der Zifferblätter war (mit großzügiger Unterstützung des Glas¬hütter Uhrenwerkes) dadurch möglich, weil Goertz den größten Teil der Räder und Hebel soweit zerlegbar gestaltete, daß die durch jahrzehntelange Lufteinwirkung ent¬standene Schädigung der Oberflächen der hoch veredelten Teile beseitigt werden konnte. Nach den Erfahrungen der jetzt erfolgten Überholung wird jedoch empfohlen, die Gangdauer von Überholung zu Überholung auf maximal fünfzehn Jahre zu begrenzen, so daß die Kunstuhr von Hermann Goertz etwa sechsmal in einem Jahrhundert überholt werden muß. |
Zitiert aus:
Fritsch/Friebel
Die Glashütter Kunstuhr von Hermann Goertz
Uhren und Schmuck, 1984, S. 181
VEB Verlag Technik Berlin