Louis Moinet, Erfinder des Chronographen
Saint Blaise, März 2013
Vor Kurzem hat man ein bis heute unbekanntes Zeitmessgerät von immenser Bedeutung gefunden. Es handelt sich hierbei um den ersten jemals hergestellten Chronographen, der von seinem Erfinder Louis Moinet auch „60stel-Sekundenzähler“ genannt wurde. Die auf dem Boden des Gehäuses gefundenen Punzen lassen darauf schließen, dass seine Herstellung 1815 begonnen und 1816 abgeschlossen wurde.
Dieser außergewöhnliche Zeitzähler stellt eine absolut originelle und neuartige Konzeption dar und spiegelt das Genie eines Mannes wider, der seiner Zeit weit voraus war. Er zeigt die 60stel-Sekunde mit einem zentralen Zeiger, die Sekunden und Minuten auf zwei separaten Zifferblättern und die Stunden auf einem 24-Stunden-Zifferblatt an.
Die Start-, Stopp- und Rücksetzfunktionen werden über zwei Drucktasten gesteuert. Diese Funktionen sind es, die dieses Zeitmessgerät in seiner heutigen anerkannten Funktionsdefinition zu einem Chronographen machen, obwohl diese Bezeichnung zur Benennung dieser Instrumente erst einige Jahre später eingeführt wurde.
Der Chronograph besitzt auch die Rücksetzfunktion, die die Zeiger zurück auf Null setzt. Eine seinerzeit absolut innovative und revolutionäre Funktion. Bis heute glaubte man, dass diese Erfindung aus dem Jahre 1862 stammte, in dem Adolphe Nicole sein Patent anmeldete.
Eine außergewöhnliche Erfindung
Bereits seit dem 19. Jh. streben die Uhrmacher danach, die Präzision ihrer Uhrwerke stetig zu verbessern. Die Suche nach der absoluten Präzision ist fester Bestandteil der Uhrmacherwissenschaft. Im Jahre 1820 legte man sich darauf fest, dass die Zehntelsekunde das präziseste Eichnormal darstellt.
Folglich stellt der „60stel-Sekundenzähler“ das präziseste Messinstrument seiner Zeit dar und war sechsmal genauer als die bis dahin bekannte Referenzgröße. Die Erreichung einer Messung der 60stel-Sekunde lässt Louis Moinet in das Pantheon der Väter der Zeitmessung eintreten.
Louis Moinet machte und entwickelte diese Erfindung, um sie für ein astronomisches Instrument nutzen zu können, das er bereits einige Zeit zuvor zusammengesetzt hatte. Gemäß seiner eigenen Worte: „... Ich bin 1815 nur nach Paris gekommen, um dort einen „60stel-Sekundenzähler“ zu entwickeln und anzufertigen. Die schwierige und selten versuchte Entwicklung dieses Instruments, dessen Zusammensetzung vollkommen neuartig war, erwies sich als vollkommen zufriedenstellend für die Erreichung meines Ziels ...“ (*)
Das Uhrwerk des Chronographen arbeitet mit 216.000 Schwingungen pro Stunde (30 Hz), einer zu seiner Zeit noch nie dagewesenen Frequenz. Zum Vergleich: Die übliche Frequenz einer modernen Uhr liegt bei 28.800 Schwingungen pro Stunde (4 Hz). Louis Moinet ist demnach der Pionier des Hochfrequenz-Chronographen. In der Tat musste man genau ein Jahrhundert warten, bevor es eine andere Uhr gab, die mehr als 216.000 Schwingungen pro Stunde aufwies.
Warum strebte Louis Moinet nach einer solch hohen Frequenz? Genau darum, weil er ihren Rhythmus an die feinst mögliche Präzision anpassen wollte: die Messung einer Bogen- und Zeitsekunde (1/60stel-Sekunde) für seine astronomischen Beobachtungen. Eine Frequenz von 216.00 Schwingungen pro Stunde entspricht 60 Schwingungen pro Sekunde. Die 60stel-Sekunden schlagen somit genau innerhalb einer Sekunde.
Für die Beobachtung der Sternumlaufzeiten ist es unabdingbar, dass der 60stel-Sekundenzähler über eine Dauer von mindestens 24 Stunden eingesetzt werden kann. Und wie sieht es mit dem Energieverbrauch aus? Die Antwort von Louis Moinet auf diese Frage lautet, dass er zu diesem Zweck eine mit einem Rubin und Öl versehene Hemmung entwickelt hat, die 216.000 Schwingungen pro Stunde durchführt und auch bei längerer Anwendung einwandfrei funktioniert hat.
Astronomische Beobachtungen
Louis Moinet hat den ersten Chronographen der Geschichte erfunden, um den Lauf der Gestirne mit dem Teleskop beobachten zu können. Seine Erfindung ermöglichte es ihm, den Abstand der Gitternetzlinien seines Teleskops genau zu messen.
Louis Moinet erklärt die Einzelheiten selbst: „Diese Erfindung wurde mir während meiner Beobachtungen aus folgendem Anlass nahegelegt: Ich hatte mir einen kleinen beweglichen Quadranten des berühmten Bordakreises gekauft (Jean Charles de Borda: Erfinder des Repetitionskreises). Dieses Instrument, in England kunstfertig hergestellt und sich mit Hilfe eines intelligenten Gegengewichts auf einem Rubin im Gleichgewicht haltend, sollte laut seinem Erfinder durch seine Eigenträgheit vor den Bewegungen des Schiffes schützen und es so ermöglichen, auch an Bord ebenso genaue Beobachtungen wie an Land anstellen zu können. Allerdings war dieses Projekt nicht von Erfolg gekrönt. Daher mit einer anderen Absicht gekauft, fügte ich dem beweglichen Quadranten zur Beobachtung an Land einen durch den seligen Fortin mit Hilfe eines Nonius in Minuten geteilten Horizontalkreis, zwei Kreuzlibellen, eine angepasste bewegliche Achse sowie ein Stativ mit Stellschrauben, mit Unterteilung usw. hinzu. Allerdings hatte das Teleskop zu wenig Platz und die Gitternetzlinien lagen viel zu eng aneinander, so dass es unmöglich war, nur eine einzelne Linie beobachten zu können. Genau aus diesem Grund, um den oben beschriebenen Unannehmlichkeiten abzuhelfen, erfand ich den 60stel-Sekundenzähler, der mir bei der Lösung des Problems geholfen hat, indem er mir den exakten Abstand der Gitternetzlinien angab.“ (**)
Hommage an Louis Moinet
Die größten Männer sind zumeist auch die bescheidensten. Dies gilt auch für Louis Moinet, der von seinesgleichen als einer der größten Uhrmacher aller Zeiten angesehen wird. Herr Delmas, Vizepräsident der Société de Chronométrie de Paris sagte über ihn: „Er war einfach überall, nahm an allen Debatten teil, deshalb war er auch der Präsident der Société de Chronométrie: präzise, klarsichtig, großmütig, ein Mensch, der die Schwächeren aufbaut, indem er sie ermutigt, der allen wichtige Ratschläge gibt, ohne Eitelkeit an den Tag zu legen, der seine Geistesblitze uneingeschränkt und ohne Hintergedanken preisgab.“ (***)
Heute ist es eine Ehre, diesem großartigen Mann eine Hommage zu widmen, von dessen Devisen eine lautete: „Das Wesentliche ist es, nicht von der Wahrheit abzuweichen."
(*) Auszug aus den handschriftlichen Briefen von Louis Moinet, 1823.
(**) Auszug aus dem Buch Traité d’Horlogerie (Uhrmacherhandbuch) von Louis Moinet, 1848.
Anmerkung: Die erste Person Singular ersetzt hier die erste Person Plural, mit der sich Louis Moinet für gewöhnlich ausdrückte.
(***) Auszug aus dem Panthéon Biographique Universel, 1853.
Der Chronograph von Louis Moinet
Uhrwerk:
- Vollplatinenwerk aus vier Abstandshaltern, Federgehäuse, Zapfen und Kette.
- Zylindrische Stahlhemmung und Hemmstück aus Rubin.
- Unruh aus einem Steg, an dessen beiden äußeren Enden sich ein Ausgleichsgewicht aus Platin befindet, das für die Feinregulierung der Unruh verschoben werden kann.
- Hemmungsrad mit 30 Zähnen.
- Flache Stahlspirale, sieben Windungen.
- Sechs Lagersteine mit Decksteinen aus Rubin, plus ein Hemmstück, d. h. insgesamt dreizehn Rubine.
- Herstellung aus gekörntem Messing, bei hoher Temperatur vergoldet.
- 216.000 Schwingungen pro Stunde, Frequenz 30 Hertz.
Maße:
- Durchmesser 57,7 mm.
- Dicke 9 mm.
- Schriftzug auf der oberen Platine: Louis Moinet.
Laufzeit:
- Mehr als 30 Stunden Gangreserve.
- Anzeige der Spannung der Antriebsfeder auf einer Seite der Schale.
Gehäuse:
- Aus Silber mit einem Ring auf dem Glas und am Boden.
- Glas mit Bajonettverschluss.
- Schale mit Scharnier, Schale durch Gewindestift verriegelt.
- Halbschalengehäuse, Flachformat, aus vier Teilen.
- Die Schale trägt die vier Aufschriften: 1. Association des Orfèvres de Paris 2. Maître 3. Deuxième coq (titre Ag 900) 4. Garantie No 815.
Zifferblatt:
- Das Zifferblatt besteht aus gekörntem Silbermetall und trägt die Unterschrift von Louis Moinet.
- Das Zifferblatt unterteilt sich in drei kleinere Zifferblätter: Links oben für Minutenzähler (60 Minuten), Rechts oben für Sekundenzähler (60 Sekunden) sowie Zentral unten für Stundenzähler (24 Stunden).
Zeiger:
- Mittig ein dünner Zeiger mit Gegengewicht für die Anzeige der 60stel-Sekunden.
- Zwei identische Zeiger für die Anzeige der Sekunden und Minuten.
- Ein Zeiger mit einer Verdickung an dessen Ende zur Anzeige der Stunden.
- Alle Zeiger bestehen aus Blaustahl.
Drucktasten:
- Bezüglich 60stel der Zeitsekunde: Taste zum Start und Stopp des Chronographen.
- Bezüglich 56stel der Zeitsekunde: Rücksetztaste des Zeitsekundenzählers.