Racine, Charles-Friedrich

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(siehe auch: Racine)

Schweizer Zifferblattmacher

Charles-Friedrich Racine lebte zu Anfang des 19. Jahrhunderts in La Chaux-de-Fonds und fabrizierte Zifferblätter für Uhren, er brachte es in der Miniaturmalerei auf Emaille zu einer staunenswerten Kunstfertigkeit. Die Arbeiten dieses Künstlers waren wahrhaft bewundernswert, die Feinheit und Eleganz seiner Malereien, Inschriften und Verzierungen unübertrefflich. Eines seiner größten Kunstwerke, welches heute (1902) noch in seiner Familie als teures Andenken aufbewahrt wird, ist ein kleines Zifferblatt von nicht mehr als sechs Linien Durchmesser.

Beim ersten Anblick entdeckt man auf demselben nur verschiedene feine Kreise und kaum bemerkbare, wie dünne Härchen aussehende Striche; alle Anstrengungen, etwas Bestimmtes daraus zu entziffern, sind umsonst. Erst mit Hilfe eines starken Vergrößerungsglases wird es vor unseren Augen lebendig. Auf dem kleinen Zifferblatt sieht man nun ganz deutlich noch vier kleinere, also im Ganzen fünf verschiedene Zifferblätter: das eine mit den Stunden und sechzig Minuten, das zweite mit dem Datum der Tage, das dritte mit den zwölf Monaten und ihren Zahlen, das vierte mit den Tagen der Woche und den Planeten, und das fünfte mit den sechzig Sekunden. Die mit bloßem Auge kaum entdeckten feinen Haarstriche werden zu lesbaren Zeilen.

Voll Erstaunen liest man auf dem Zifferblättchen links die deutlichen Worte: "Un nouvel univers à nos yeus se découvre, Quand an sait enlever le voile qui le couvre." (Eine neue Welt entdeckt sich unseren Augen, wenn man es versteht, den Schleier zu heben, der sie verhüllt.) Auf dem Zifferblättchen rechts erkennt man folgende Zeilen: "D'infiniment petits un monde merveilleux, Présente dans un point et la terre et les cieux." (Eine wunderbare Welt von unendlich Kleinem zeigt uns in einem Punkte die Erde zugleich und den Himmel.) Betrachtet man nun das auf der unteren Seite befindliche Sekundenzifferblättchen, so fallen die Worte ins Auge: "De et étroit cadran je ne fait pas un tour, Qu'on ne voie un mortel s'en aller sans retour." (Um dieses kleine Zifferblatt mache ich keinen Gang, wo man nicht einen Sterblichen ohne Rückkehr uns verlassen sähe.)

Auf dem obersten Zifferblättechen endlich findet man den Namen des Künstlers: "Fait par Charles-Frederic Racine-Hanie, de la Chaux-de-Fonds, canton de Neuchâtel, en Suisse, 1821." (Gemacht von Carl-Friedrich Racine-Hanie von Chaux-de-Fonds, Kanton Neuenburg, in der Schweiz, 1821.) Jetzt richtet man den Blick auf den nahe am Rande befindlichen Kreis, den man mit bloßem Auge kaum entdeckt, und man findet dort das ganze Vaterunser mit deutlichen Buchstaben vor. Auf dem kleinen Zifferblättchen befinden sich also außer den verschiedenen Zahlenkreisen die vorstehend erwähnten Strophen nebst dem Vaterunser, im Ganzen 605 Buchstaben, und zwar so, dass sie trotz der Deutlichkeit der Schrift nicht mehr als den dreizehnten Teil des Zifferblattes bedecken.

Um mit dieser feinen mikroskopischen Schrift das ganze Zifferblatt zu füllen, hätte der Künstler das Vaterunser beinahe fünfundzwanzig Mal darauf schreiben können. Man hat ausgerechnet, dass man mit solchen Buchstaben auf beide Seiten eines Blattes von 150 Linien Länge und 105 Linien Breite die ganze Bibel drucken könnte. Diese Geschicklichkeit ist um so mehr zu bewundern, als Racine seine Arbeiten nur mittels seines Pinsels ohne maschinelle Vorrichtungen ausführte und sich durch eigenen Fleiß soweit fortgebildet hatte, ohne seine Heimat je zu verlassen. Und um den Künstler vollständig zu machen, ließ ihn auch das Schicksal die meiste Zeit seines Lebens darben. Seine mühsamen und zeitraubenden Arbeiten wurden zu ärmlich bezahlt, als dass er sich damit ein Vermögen hätte erwerben können, und mehr als ein einmal befand er sich in völligem Elend. Er starb in Neuenburg im Jahre 1832.

Literatur