„Ich war die Brücke zu unserer Geschichte“ - Ein Interview mit Walter Lange

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„Ich war die Brücke zu unserer Geschichte“ - Ein Interview mit Walter Lange

Glashütte, 29. Juli 2009

Zu seinem 85. Geburtstag blickt Walter Lange, Gründer der Lange Uhren GmbH, im Gespräch mit dem Journalisten Christoph Scheuring zurück auf sein Lebenswerk.

Ist Ihr 85. Geburtstag für Sie eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen?
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe mein ganzes Leben lang so gelebt, als würde es ewig dauern. Insofern sehe ich keinen Grund, jetzt Bilanz zu ziehen.

Aber kein Mensch lebt ewig.
Das stimmt natürlich. Trotzdem macht es keinen Sinn, sich das Leben durch den Gedanken an die eigene Sterblichkeit zu verdunkeln.

Was machen Sie stattdessen?
Ich genieße mein Leben. Unter anderem reise ich viel, zum Beispiel zu den Salzburger Festspielen. Außerdem habe ich mir vor eineinhalb Jahren einen lang gehegten Wunsch erfüllt und einen Mercedes 280 SL „Pagode“, Baujahr 1971, gekauft. Damit bin ich bereits an den Lago Maggiore und nach Glashütte gefahren.

Erinnern Sie sich noch an die erste Uhr Ihres Lebens?
Meine erste Uhr war keine Lange, sondern eine Cyma aus der Schweiz. Erst zur Konfirmation hat mir dann mein Onkel eine O.L.I.W. überreicht. O.L.I.W. war die preiswertere Linie bei A. Lange & Söhne.

Haben Sie noch eine Erinnerung an die schwere Weltwirtschaftskrise 1929?
Auch in Glashütte war die damalige Depression deutlich zu spüren. Ich erinnere mich noch an die vielen Arbeitslosen, die sich gegenüber unserem Stammhaus versammelten. Der schlimmste Gedanke für meine Eltern war immer, dass sie gezwungen sein könnten, Menschen zu entlassen. Deshalb bestellten wir unsere Uhrmacher damals wenigstens für einige Stunden in die Manufaktur, selbst wenn es nicht viel zu arbeiten für sie gab.

Hat diese Zeit Ihre Sicht auf die Wirtschaft in irgendeiner Weise geprägt?
Sie hat mich nicht nur geprägt. Auch die Neugründung unserer Manufaktur wäre ohne diese Erfahrungen möglicherweise etwas anders verlaufen.

Können Sie das näher erklären?
Als im Jahr 1989 die Berliner Mauer fiel, ging es mir nicht nur darum, den Namen A. Lange & Söhne neu zu beleben. Vor allem wollte ich den Menschen in Glashütte wieder eine Perspektive geben.

Damals existierte doch noch der VEB Glashütter Uhrenbetriebe, in den A. Lange & Söhne nach dem Krieg zwangsweise überführt worden war.
Dass dieser Betrieb in der freien Marktwirtschaft nicht überleben würde, war mir sofort klar, als ich ihn das erste Mal besuchte. Wenn wir diese Firma hätten sanieren wollen, hätten wir mit Massenentlassungen beginnen müssen. Das wäre für mich unvorstellbar gewesen. Also habe ich damals zusammen mit meinem Partner Günter Blümlein die Firma Lange ein zweites Mal gegründet.

Hatten Sie jemals Zweifel, ob es gelingen würde, nach über 40 Jahren Dornröschenschlaf eine echte Lange-Uhr für moderne Ansprüche zu konstruieren?
Nicht eine Sekunde.

Würden Sie der These zustimmen, dass es die Unzufriedenheit ist, die die Menschen zu immer neuen Höchstleistungen treibt?
Ich glaube, es die Zuversicht, dass wir unsere eigenen Grenzen erweitern können, die uns Menschen nicht ruhen lässt.

Woher nahmen Sie in den Gründungsjahren Ihre Zuversicht?
Eine große Rolle spielte sicher mein Partner Günter Blümlein. Blümlein wusste, wie man Uhren baut und wie man Menschen führt, er war ein herausragender Manager und Stratege. Er war ein Experte im Marketing und er verstand die Marke A. Lange & Söhne. Ich habe nie zuvor einen Menschen getroffen, der so viele Talente in sich vereinte.