Beschreibung der dritten Straßburger Münster-Uhr (3)

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Die dritte Straßburger Münster-Uhr


"Lexikon der Uhrmacherkunst" - Carl Schulte. (Teil 3)


Jedes Jahr, am 31. Dezember um Mitternacht, wird der Comput durch die Uhr in Bewegung gesetzt, um alle Angaben der auf das neue Jahr sich beziehenden Zyklen zu bestimmen; sind diese Angaben angedeutet, so dienen sie dazu, den Gang des Computs zu richten, so dass der Ostertag für dies nämliche Jahr festgesetzt wird. Dieses Fest wird aber nicht auf dem Comput dargestellt, sondern unmittelbar auf dem Kalender, wo es den andern bewegliehen Festen, welche von Ostern abhängen, als Vehikel dient.

Neben dem Kalender, auf der rechten Seite des Zuschauers, ist ein Mechanismus mit der Überschrift: ,,Sonnen- und Mondes-Äquationen" angebracht. Dieser Teil, einer der merkwürdigsten der Uhr, dient dazu: a) die mittlere Sonnenzeit in ihre wahre umzuwandeln, b) die mittlere Länge des.Mondes in ihre wahre zu reduzieren, e) endlich die Länge der Knoten des Mondes zu erhalten, um die Breite dieses Gestirns zu bewirken. Diese Reduktionen werden, vermittels mechanischer Organe, bewirkt, - deren die einen sich auf die Sonne, die anderen in größerer Anzahl auf den Mond beziehen, dessen meiste Unregelmäßigkeiten oder Störungen sie hervorbringen. Es ist bekannt, dass der Mond nicht allein gegen die Erde, sondern auch noch gegen die Sonne hingezogen wird, dass derselbe keine kreisförmige, sondern eine elliptische, höchst unregelmäßige und veränderliche Bahn durchläuft, eine Bahn, die sich außerdem noch schief auf den Plan der Ekliptik neigt. Man weiß auch, dass die Erde nicht im Zentrum dieser Bahn, sondern in einem dieser Brennpunkte sich befindet; endlich dass die Wirkung der Sonne, welche die Erde mehr oder weniger von dem Monde zu entfernen sucht, nicht immer dieselbe bleibt, sondern eine Änderung erleidet, je nachdem unser Globus und sein Trabant sich der Sonne nähern, oder von derselben entfernen: aus diesen verschiedenen Gründen zieht man leicht den Schluss, dass die Bewegung des Mondes sehr unregelmäßig sein müsse, nämlich, dass dieser Trabant bald geschwinder und bald langsamer sich bewege. Die .Wesentlichsten dieser Störungen werden durch folgende Äquationen, oder Gleichungen, bewirkt: a) die Anomalie, b) die Evektion, c) die Variation, d) die jährliche Äquation, e) die Reduktion, f) endlich die die Knoten des Mondes betreffende Äquation.

Hinter dem Zifferblatte der scheinbaren Zeit befindet sich eine noch wichtigere Äquation, nämlich die zu der Rektaszension des Mondes bestimmte Gleichung., Die Hauptäquation, in Hinsicht der Sonne, ist jene der Anomalie, um die wahre Länge zu erhalten, welche ihrerseits in die wahre Rektaszension umgewandelt wird. Durch die vollkommene Ausführung der Mechanismen, aus denen dieser Teil der Uhr besteht, ist man dahin gelangt, dass die scheinbaren Bewegungen der Sonne und des Mondes auf ewige Zeiten und zwar mit einer bewundernswürdigen Genauigkeit angegeben werden. Aus diesen Mechanismen, welche auf die scheinbare Zeit wirken, erfolgt, dass sie alle Störungen, denen die Sonne und der Mond unterworfen sind, in die Angaben, dieser Zeit anbringen. Über dem Kalender befinden sich die Sinnbilder der Wochentage. Mitten in den Wolken sieht man auf einem halbrunden Vorsprung, welcher das Himmelsgewölbe darstellt, eine jede der sieben heidnischen Gottheiten abwechselnd erscheinen, deren Namen den alten Planeten beigelegt wurden; die allegorischen Figuren, denen die Tage der Woche geweiht waren, zeigen sich auf ihrem Wagen sitzend, deren Form nicht minder zierlich, als abwechselnd ist und auf deren Rädern man zugleich den Namen der Gottheit und den des Tages liest; die Wagen die von den verschiedenen Tieren, welche man einem jeden Gott als Attribut gibt, geführt werden, rollen ununterbrochen auf einer kreisförmigen Eisenbahn fort.

Am Sonntag erscheint Apollo, der Gott des Tages, auf einem strahlenden, von den Sonnenpferden gezogenen, Wagen sitzend. Ihm folgt am Montag die keusche Diana als Sinnbild des Mondes, deren Wagen ein Hirsch mit schüchternem Schritt zieht. Mars, der fürchterliche Gott des Krieges, macht seine Erscheinung am Dienstage; sein Siegeswagen ist mit einem mutigen Schlachtrosse bespannt. Merkur, der listige Bote der Götter, einen Schlangenstab und einen Beutel tragend und durch Luchse gezogen, zeigt sich in der Mitte der Woche. Jupiter, mit dem Donnerkeile bewaffnet, obschon der Gebieter der Götter und der Beherrscher des Olymps, hat seine Reihe erst am Donnerstage. Der folgende Tag ist der Venus, der Göttin der Schönheit, geweiht, sie zeigt sich, in Begleitung ihres Sohnes Cupido, auf einem reizvollen, von Tauben geführten Wagen. Endlich am Samstag schließt Saturn den Götterzug. Dieser mit einer Sense bewaffnete und von einer Chimäre gezogene alte Gott ist im Begriff, ein Kind zu verschlingen; ein Sinnbild der Zeit, die Alles zerstört und der Nichts zu widerstehen vermag. Auf beiden Seiten des eben bezeichneten Vorsprungs heben sich auf eine vortreffliche Art und als religiöses Korrektiv mehrere Malereien von Tobias Stimmer heraus; sie stellen uns wichtige biblische Szenen dar, als die Erschaffung der Welt, die Auferstehung der Toten. das Weltgericht und die Absonderung der Guten und Bösen.

Neben diesen schönen Gemälden stehen verschiedene biblische Sprüche, welche auf diese Gegenstände Bezug haben. Nun gelangen wir auf die Löwengalerie, also genannt, weil sich an beiden Enden zwei dieser prächtigen Tiere befinden, wovon das eine das Wappenschild der Stadt Straßburg und das andere den Helm in seinen Klauen hält. Diese Löwen, aus Holz gehauen, rühren noch von der alten Uhr her. In der Mitte dieser Galerie befindet sich ein kleines Zifferblatt, das zur Angabe der mittleren Zeit bestimmt ist, einer Zeit nämlich, welche aus Stunden von gleicher Länge besteht. Um diese mittlere Zeit sich besser zu versinnlichen, muss man annehmen, dass es, nebst der wahren Sonne, welche mit ungleicher Geschwindigkeit in der Ekliptik läuft, eine zweite, nämlich eine sogenannte mittlere Sonne, gäbe, die sich im Äquator mit stets gleichförmiger Geschwindigkeit dergestalt fortbewegt, dass sie mit der wahren Sonne immer zugleich durch des Frühlings Nachtgleichen durchgeht. Es ist folglich diese mittlere Sonne, deren stets gleiche Bewegung zwischen je zwei ihrer nächsten Kulminationen, oder mittleren Mittagen an demselben Meridian, den beständigen mittleren Sonnentag begründet.

Das Zentralräderwerk, das nur alle 8 Tage einmal aufgezogen wird und einzig für die ganze Uhr, teilt unmittelbar den Zeigern der mittleren Zeit die Bewegung mit, während die zwei anderen Zeiten, wovon wir schon gesprochen haben, nämlich die Sternenzeit und die scheinbare Zeit, ihren Gang nur vermittels besonderer Mechanismen, erhalten, welche dazu dienen, diese gleichförmige Bewegung des Zentralwerkes zu modifizieren und in ungleiche Bewegung zu verwandeln. Auf der Löwengalerie, an den Seiten des Zifferblattes der mittleren Zeit, befinden sich noch zwei Genien: Der zur Linken des Zuschauers hält ein Zepter in der Hand und in der anderen ein Glöckchen, auf welches er die Streiche der Viertelstunden vorschlägt, welche sogleich von einem der vier Lebensalter im obern Stockwerke wiederholt werden. Der Genius, der auf der andern Seite sitzt, hält in beiden Händen ein Stundenglas, das mit rotem Sand angefüllt ist, und welches er zu jeder Stunde bald links, bald rechts umstürzt. Diese Bewegung vollbringt er auf eine eben so anmutige, als natürliche Art, jedesmal beim letzten Schlage der vier Viertel, einen Augenblick bevor der Tod die Stunden schlägt.

Ungeachtet, dass dieses Stundenglas sehr klein ist, braucht der darin enthaltene Sand 60 Minuten, um ganz durchzulaufen; damit also der Genius keine Zeit verliere, so stürzt er dasselbe in einem Augenblick um. Das Stockwerk über der Löwengalerie ist von einem nach Kopernikus'schen System erbauten Planetarium eingenommen. Die dem bloßen Auge sichtbaren Planeten vollbringen ihre Revolutionen auf einem blauen Zifferblatte; von der in dem Zentrum dieser Scheibe angebrachten Sonne, die von keiner Stütze getragen wird, gehen Strahlen aus, welche sich nach den 12 Zeichen des Tierkreises richten, die auf dem Rande des Planetariums vorgestellt sind. Sieben kleine Kugeln von verschiedenen Schattierungen, die jene der Planeten nachahmen und deren Durchmesser mit den scheinbaren Größen dieser himmlischen Körper im Verhältnise sind, bewegen sich in der Ordnung ihrer Stelle um die unbewegliche Sonne. Zunächst dieses strahlenden Gestirns sieht man den Merkur, welcher in ungefähr 88 Tagen seine Bahn durchwandert. Auf denselben folgt Venus, der Morgenstern, der am Himmel unstreitig am Schönsten beleuchtete Planet, der seinen völligen Kreislauf in ungefähr 225 Tagen vollendet.

Die dritte Stelle nimmt die Erde ein, die in 1.365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 45 Sekunden um die Sonne läuft. Über unserem Globus kommt Mars, der erste der oberen Planeten, also genannt, weil sie von der Sonne entfernter stehen, als die Erde, deren Bahn mithin von diesen Planeten eingeschlossen wird; hingegen werden Merkur und Venus untere Planeten genannt, weil sie der Sonne näher stehen, als die Erde. Der an seinem rötlichen Lichte erkenn-bare Mars vollendet seinen Kreislauf ungefähr in 687 Tagen. Jupiter, das scheinbar größte Gestirn des Himmels, verwendet 4.330 Tage auf seinen Umkreis: endlich Saturn, der letzte der den bloßen Augen sichtbaren Wandelsterne, braucht nicht weniger als 10.747 Tage, um seine Bahn um die Sonne zu vollbringen. Außer diesen Hauptplaneten, mit deren Bewegungen am Himmelszelte uns das Planetarium vertraut macht, ist durch dasselbe der Umlauf des Trabanten der Erde vor Augen gestellt, und so sieht man, was wirklich bewundernswürdig ist, die Erde ihre Bahn um die Sonne fortsetzen, während der Mond um die erstere zu laufen fortfährt, und so dient dieser Weltkörper mit seiner monatlichen Bewegung zu einem treuen Begleiter unserer Erde auf deren jährlicher Wanderung um die Sonne.

An den Ecken des Planetariums sind die vier Alter des Menschen, als Sinnbilder der Jahreszeiten, sehr ausdrucksvoll abgemalt. Über dem Planetarium sieht man auf einem gestirnten Himmel die Phasen des Mondes; die verschiedenen Lichtgestalten dieses Gestirnes sind vermittels einer Kugel dargestellt, welche, indem sie sich auf ihrer schiefen Achse umdreht, beleuchtet und verdunkelt wird, je nachdem sie die mannigfaltigen Erscheinungen zeigen soll, die während einer Mondeswandelung statthaben. In der Neomenie (von zwei griechischen Wörtern, die Neumond bedeuten) zeigt uns die Kugel ihre dunkele Seite; auf diese Weise wird der Mond vor unseren Augen unsichtbar. Nach ungefähr 24 Stunden fängt man an, einen schmalen Lichtstreifen zu erblicken, der jeden Tag breiter wird, bis am 7. Tage, wo er alsdann eine halbe Scheibe bildet. Nach diesem ersten Viertel gewinnt der erleuchtete Teil täglich an Umfang bis an die Hälfte der Kugel, nämlich bis an den Vollmond. Von da an verliert die Kugel immer mehr an Licht, die helle Seite wird täglich kleiner, bis der Mond ungefähr 7 Tage nach dem Vollmonde als sogenanntes letztes Viertel in Gestalt einer halben Scheibe sich wieder darstellt. Doch wird nun auch diese erleuchtete Halbscheibe in den nächsten Tagen immer kleiner, und der Mond nimmt daher abermals die Gestalt eines Segmentes an, das immer schmäler wird, bis er ungefähr 7 Tage nach dem letzten Viertel wieder gänzlich verschwindet und dann abermals als Neumond 1 - 2 Tage unsichtbar bleibt. Hierauf beginnen seine Lichtgestalten wieder aufs Neue.


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Weiterführende Informationen

Literatur