Beschreibung der zweiten Straßburger Münster-Uhr

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Die Zweite Straßburger Münster-Uhr

"Lexikon der Uhrmacherkunst" - Carl Schulte.

Die zweite Uhr wurde im Jahre 1547 angefangen; den Plan dazu entwarfen Michael Heercus und Niclas Brucknerus in Verbindung mit Christian Herlinus, Professor an der Straßburger Hochschule und einer der ausgezeichnetsten Mathematiker seines Zeitalters. Mit der Ausführung dieses Werkes wurden mehrere Künstler und geschickte Arbeiter beauftragt. Unglücklicherweise musste, wegen des Todes der beiden Kollegen Herlins, und besonders wegen der damaligen höchst wichtigen Zeitereignisse, das Unternehmen ausgesetzt werden. Es geschah dies, als eben die Mathematiker den Plan des Astrolabiums verfertigt und die Steinhauer das Gehäuse, das noch für die neuere Uhr benutzt worden, bis zum Helme aufgeführt hatten. Das Ganze wurde nun bis zum Jahre 1570 unterbrochen, wo, auf Einladung des Magistrats und der Pfleger des Frauenhauses, Conrad Dasypodius, Herlins Zögling und sein Nachfolger auf der Hochschule, beauftragt wurde, diese Arbeiten fortzusetzen. Obschon derselbe die bereits angefertigten Teile zu benutzen suchte, hielt er sich dennoch nicht an den Plan seiner Vorgänger, er erweiterte denselben und schritt erst dann zur Ausführung seiner Entwürfe, als er sich für dieselben die Zustimmung mehrerer Gelehrten und namentlich des berühmten Mathematikers Schreckenbenfuchs aus Freiburg dazu eingeholt hatte.

Den Brüdern Isaak und Josias Habrecht aus Schaffhausen wurde die Herstellung der mechanischen Werke anvertraut; einer ihrer Mitbürger, Thomas Stimmer, wurde beauftragt, die Maler- und Bildhauerarbeit, die zur Zierde des Ganzen dienen sollte, zu vollführen. Kaum war diese Übereinkunft getroffen, da unterlag Dasypodius der Last seiner vielen und schweren Arbeiten; er fühlte sich gedrungen, seinen Freund, David Volkenstein, einen Breslauer Astronomen, welcher damals lehrte, zur Mithilfe aufzufordern. In solcher Weise und vermittels des kräftigen Zusammenwirkens dieser. verschiedenen Männer konnte das Uhrwerk schon am 24. Juni 1574, nämlich am Tage des heiligen Johannes des Täufers, vollendet und in Gang gebracht werden. Der Mechanismus der Uhr war noch nicht vollständig beendigt, als Josius, der jüngste der beiden Brüder Habrecht, durch den Kurfürsten von Köln nach dem Schlosse Kaiserwörth berufen wurde, um daselbst eine astronomische Uhr zu errichten; diese Reise und das Augenübel einer seiner Schwestern, die zu derselben Zeit das Augenlicht verlor, mag wohl der Grund sein, auf welchem die berüchtigte Volkssage ruht, welcher gemäß der Straßburger Magistrat dem Erbauer der astronomischen Uhr die Augen hätte ausstechen lassen, damit er kein derartiges Werk anderswo vollführen könne. Diese Uhr wurde im Jahre 1669 von Michael Habrecht und im Jahre 1732 durch Jakob Straubhaar ausgebessert, welche beide Nachkömmlinge der Brüder Habrecht waren; unerachtet dieser und noch mehrerer anderer Ausbesserungen stand das Werk seit dem Jahre 1789 still. Der Mechanismus und die übrigen Teile der alten Uhr sind wieder zusammengefügt und in dem Frauenhause aufgestellt worden, wo Jedermann sie sehen kann. (1902)

Die Uhr war mit einem hölzernen Gesims und einem eisernen Gitter umgeben, dessen rautenförmige Stangen den bequemen Anblick der unteren Abteilung verhinderten. Ein Teil dieses Gitters ist für den im Jahre 1453 nach Jodok Datzinger's Zeichnung verfertigten Taufstein verwendet worden. Am Fuße des alten Uhrwerkes befand sich eine, auf vier hölzernen Säulen ruhende Himmelskugel, deren Globus, aus einem Gemische von Gips, Papier und Leim geformt, beinahe 100 Pfund wog. Sie dreht sich auf Ihrer Achse in einem Tage um, indem sie die zu Ptolomäus Zeiten gekannten und in 48 Konstellationen eingeteilten Sterne darstellte. Um die Himmelskugel drehten sich zwei Kreise, wovon der eine, die Sonne darstellend, seinen Umlauf in 24 Stunden vollendete, während der andere, den Mond bildend, ungefähr 25 Stunden zu seiner Bewegung verwendete. Unmittelbar hinter dem Globus sah man eine große hölzerne Scheibe, auf welcher ein Kalender gemalt war, der von einem Zeitraume von hundert Jahren die Monate, Tage, den Sonntagsbuchstaben und die Namen der Heiligen, wie auch einige bewegliche Kirchenfeste, anzeigte. Zu beiden Seiten der Scheibe standen zwei Statuen, Apoll und Diana, erstere wies mit ihrem Zepter auf das Datum, die andere auf den Tag, mit welchem das halbe Jahr endete. Unter anderen Unrichtigkeiten waren alle Jahre dieses Kalenders von 366 Tagen, nämlich Schaltjahre. Der mittlere Teil der Scheibe war unbeweglich und stellte die längs dem Rheinstrom gelegenen Gegenden, sowie den topographischen Plan von Straßburg dar, zugleich sah man auch die Namen der Gelehrten und des Malers, die zu dem Baue dieses Teils der Uhr beigetragen hatten. Zur Rechten und zur Linken des Kalenders erhoben sich zwei große Tafeln, auf denen die Sonnen- und Mondfinsternisse für die Jahre von 15731605 gemalt waren. Diese Tafeln sind durch zwei andere ersetzt worden, welche, den ersteren ähnlich, Aufmerksamkeit verdienen, nicht allein in Hinsicht der Malerei,, sondern auch in der originellen Weise, wie die Finsternisse vorgebildet sind.

Etwas höher als der Kalender befand sich ein halbrunder Vorsprung, auf welchem abwechselnd die heidnischen Sinnbilder der Wochentage zum Vorschein kamen. Diese allegorischen Figuren traten in folgender Ordnung auf: Am Sonntag kam Apollo, der Sonnengott, am Montag Diana, als Göttin des Mondes, am Dienstag erschien Mars, der Gott des Krieges, am Mittwoch Merkurius, der Gott der Kaufleute, dem Jupiter, dem Beherrscher des Olymps, war der Donnerstag gewidmet, während Venus am Freitag und Saturn am Samstag die Reihe der Wochentage schlossen. In der Mitte der Galerie, die über den Vorsprung der Gottheiten der Woche sich befindet, war ein kleines Zifferblatt befestigt, welches die Viertelstunden und die Minuten anzeigte, während die Stunden auf dem Astrolabium angedeutet waren. An beiden Seiten des Zifferblattes saßen zwei Genien, wovon der zur Rechten, so oft eine Stunde schlagen sollte, ein Zepter bewegte und der andere zur selben Zeit eine Sanduhr stets in der nämlichen Richtung umdrehte. Die zweite Abteilung, in welcher sich die Räderwerke befanden, war beinahe ganz von einem nach Ptolomäus System erbautem Astrolabium eingenommen; sechs Zeiger, welche für eben so viele Planeten bestimmt waren, bewegten sich auf den 24 Einteilungen des astronomischen Tages.

Ein noch größerer Zeiger, an dessen Ende eine Sonne befestigt war, vollzog in einem Tage seinen Lauf um eine kleine Weltkugel, die in der Mitte des großen Zifferblattes angebracht und mit den 12 Zeichen des Tierkreises versehen war. Oben an dem Astrolabium sah man den Lauf und die Lichtwechsel des Mondes; zu diesem Zwecke hatte man ein kleines Zifferblatt bestimmt, dessen unterer Teil mit zwei Halbkreisen versehen war. Im dritten Stockwerke befand sich ein horizontal liegendes Rad, auf welchem 4 Statuen, die 4 Lebensalter darstellend, angebracht waren; diese Figuren sollten die Viertelstunden auf Cymbeln schlagen, das Kind kündigte das erste Viertel an, der Jüngling ließ die halbe Stunde hören, der Mann schlug drei Viertel und der Greis die vier Viertel. Weiter oben befand sich die Stundenglocke zwischen zwei anderen Statuen, die eine stellte den Tod vor, unter der Gestalt eines Skeletts, die andere Christus, in einer Hand ein Kreuz und einen Palmzweig tragend, bei jeder Stunde trat der Heiland hervor und das Skelett ging zurück. Doch kaum war diese Bewegung vollzogen, so wendete sich Christus schnell ab und ließ den nun eiligst wieder auftretenden Tod die Stundenstreiche an die Glocke schlagen. Das links an der Uhr aufgestellte Türmchen enthielt die Gewichte der Räderwerke, wie auch den Mechanismus, welcher bestimmt war, das Krähen des Hahnes zu bewirken; dieser auf der Spitze des Turmes befindliche Hahn ist das einzige Stück, welches von dem früheren "die drei Könige Uhr" genannten Werke beibehalten worden. Er krähte Anfangs jeden Mittag, als er aber im Jahre 1640 von einem Blitzstrahle getroffen worden, ließ er sich nur noch an den Sonn- und Feiertagen hören; endlich im Jahre 1789 verstummte er ganz und wurde vollends über den damaligen wichtigen Ereignissen vergessen.

Diese Uhr, ein genaues Bild der Wissenschaften des 16. Jahrhunderts, war für jene Zeit ein wahres Kunststück, weshalb sie auch in die Zahl der sieben Wunderwerke Deutschlands, dem damals Straßburg als freie Reichsstadt angehörte, gezählt wurde.

Weiterführende Informationen

Literatur