Glashütte
Glashütte
Uhrenstadt in Sachsen, Nähe Dresden.
Die Stadt Glashütte liegt im Müglitztal (Osterzgebirge).
Auf einer Fläche von 95,56 km² lebten 2008 7.272 Einwohner in den Ortsteilen Glashütte, Bärenhecke, Börnchen, Cunnersdorf, Dittersdorf, Hausdorf, Hermsdorf a. W., Hirschbach, Johnsbach, Luchau, Neudörfel, Niederfrauendorf, Oberfrauendorf, Reinhardtsgrimma, Rückenhain und Schlottwitz.
Kommunalpolitisch gehört Glashütte zum Landkreis "Sächsische Schweiz/Osterzgebirge" (Bundesland Sachsen).
Geschichte der Uhrenstadt Glashütte
Als im Jahre 1168 Silbererze im Gebiet der heutigen Stadt Freiberg entdeckt wurden, begann auch die bäuerliche Besiedlung des Erzgebirgskammes mit den für die Region typischen Waldhufendörfern.
Glashütte wurde erstmalig in den Meißner Stiftsmatrikel von 1346 urkundlich erwähnt: Der Erzpriester von Dippoldiswalde hatte u.a. die Aufsicht über die Kirchen zu "Bernstein", "Jahnsbach", "Dittersdorf" und "Glashütte". Genannte Orte besaßen demnach bereits 1346 eigene Kirchen bzw. Kapellen.
Im Jahr 1506 verlieh der sächsische Herzog Georg der Bärtige dem Ort Glashütte das Stadtrecht.
1769 wurde Glashütte als ein "durch den gänzlichen Verfall des Bergbaues ganz verarmter Ort" bezeichnet, der "besonders durch den letzten verderblichen Krieg vollends gar zu Grunde gerichtet" worden sei.
In Carlsfeld gründete eine gemeinnützige Stiftung 1829 eine Fabrik für Schwarzwälder Uhren.
Kriege und Seuchen überzogen das Land und der Bergbau kam immer mehr zum Erliegen.
Diese Notsituation im Erzgebirge bewegte die sächsische Staatsregierung Anfang der 1840er Jahre, einen Appell an Fachleute zu richten, in diesen Gebieten eine Industrie aufzubauen.
Daraufhin gründete Ferdinand Adolph Lange im Dezember 1845 mit Hilfe eines Darlehens der Königlich Sächsischen Regierung in Glashütte seine Firma und bildete die ersten Lehrlige in der Herstellung der einzelnen Uhrenkomponenten aus. Damit legte er den Grundstein für die gesamte Glashütter Uhrenindustrie.
1895 fand die Jubiläumsausstellung aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Uhrenfertigung in Glashütte statt. Zu den Ausstellungsobjekten der DUS gehörte eine besonders aufwendige, perspektivische Darstellung des Chronometerganges mit zylindrischer Spirale von Hugo Müller aus dessen Schulzeit.
Die zu diesem Ereignis verfasste Schrift bildet die Grundlage für den folgenden Abschnitt.
Entwicklung der Glashütter Uhren-Industrie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
Die Entwicklung der Glashütter Uhren-Industrie ist auf's Engste verbunden mit Ferdinand Adolph Lange.
Lange erhielt von der sächsische Staatsregierung ein rückzahlbares Darlehen in Höhe von 6.700 Talern, um 15 Lehrlinge 3 Jahre theoretisch und praktisch auszubilden. Die Lehrlinge wurden verpflichtet nach ihrer 3-jährigen Lehrzeit für mindestens fünf Jahre bei einem Wochenlohn von 3 bis 6 Talern ausschließlich für Lange zu arbeiten. In dieser Zeit mußten dann die Ausbildungskosten und die Kosten für Werkzeug zurückgezahlt werden. Gleichzeitig förderte Lange die Bestrebungen seiner ehemaligen Lehrlinge sich nach der Lehre selbstständig zu machen. So entstand das Glashütter Verlagswesen als Zulieferindustrie für die Uhrenhersteller.
Hersteller von Einzelteilen und Baugruppen
Die Glashütter Hausindustrie umfasste die folgenden Gewerke:
- Gestellmacher
- erst Goldsche (Lehrling von Lange), dann Knauthe (Lehrling von Lange), später Bock (tätig noch 1895)
- Schraubenmacher
- erst Lissner (Lehrling von Lange) 1848 selbstständig, später Kohl sen. und Georg Rehme (tätig noch 1895)
- Triebmacher
- In die Herstellung der Triebe wurden um 1845 Kunath und um 1855 Reichelt eingearbeitet.
- 1855 eröffnete Otto Lindig eine Feinmechanische Werkstatt zur Herstellung von Trieben und Rädern für Taschenuhren, sowie für Spezialapparate. Außerdem wurden Laufwerke, Zahnstangen und Pendeluhrwerke hergestellt.
- Nach dem Weggang von Kunath wurde der Gangmacher Friedrich Weicholdt (sen.) erfolgreich auf die Triebfertigung angelernt. Dieser gab sein Wissen an seinen Bruder Gottfried Weicholdt weiter. Gottfried Weicholdt, ab 1859 selbstständig, stellte neben Trieben für Taschenuhren auch Windfangtriebe und Laufwerke für wissenschaftliche Zwecke her. Nach seinem Tod 1892 übernahm sein Schwiegersohn Ludwig Trapp die Firma.
- Radmacher
- Gustav Jungnickel (Lehrling von Lange) 1848 selbstständig, Hauptstr.113 (Zahnräder, Meßwerkzeuge) - fertigte in der Selbstständigkeit Räder und Federhäuser
- Federhausmacher
- Gustav Jungnickel, (Lehrling von Lange) 1848 selbstständig, Hauptstr.113 (Zahnräder, Meßwerkzeuge) - fertigte in der Selbstständigkeit Räder und Federhäuser
- Sein ehemaliger Mitarbeiter Herr Streller machte sich mit der Federhausherstellung selbstständig.
- Zeigermacher
- August Gläser, Lehrling von Lange 1848 selbstständig, später Sohn Paul Gläser (Schrauben, Gläser, Zeigerherstellung)
- Gangmacher
- erst Friedrich Weicholdt (sen.), Lehrling von Lange 1848 selbstständig(Hemmungsteile u. Steinarbeiten)
- dann Sohn Friedrich Weicholdt (jun.), zwischenzeitlich auch Triebmacher
- dann dessen Sohn Wiliam Weicholdt
- später (um 1890) auch Max Winkler
- Unruhmacher
- Carl Kohl, Lehrling von Lange (Kompensationsunruhen, 1849 selbstständig)
- Seine beiden Söhne Edmund und Otto traten 1902 ein die Firma ein, die seither unter dem Namen "Carl Kohl & Söhne" firmierte.
- Edelsteinschleifer
- erst Dietrich,
- dann Kretzschmar (gest. 1897), später Sohn G. Kretzschmar, 1900 an ehem. Mitarbeiter von Kretzschmar Bruno Streller (1914 Verkauf an Erwin Grahle, 1919 Verkauf an DPUG)
- F. Kuhnt
- O. Naumann
- Vergolder
- M. Mertsching, erlernte um 1845 die Galvanotechnik bei der Firma Lange. Ab 1856 mit eigener Vergoldungswerkstatt selbstständig.
- Graveure
- Bis 1865 wurden die Gravuren in Dresden ausgeführt.
- Ab 1865 Gravierungen durch zugezogenen Herrn Zeidler.
- 1875 kam der Graveur Gustav Gessner aus Silberberg nach Glashütte.
- Gehäusemacher
- Max Gutkäs (Gehäuse)
- Guillocheure
- Guillochierung der Gehäuse erst Mechaniker Hermann Schneider, dann E. Wolf, um 1895 Hohnsbein.
- Steinfasser
- A. Gollmann (ehemaliger Mitarbeiter von Kretzschmar) mit Frau und Sohn (Paul?)
- F. Kuhnt
- O. Naumann
- Hebelsteinschleifer
- Dietrich (tätig noch 1895)
- Werkzeug- und Vorrichtungsmacher
- In der mechanischen (Lehr)Werkstatt(1846 gegründet unter Leitung von Henniks und unter Mithilfe des Mechanikers Herrmann Schneider) von A. Lange wurden zunächst die von Lange bereits in Dresden entworfenen Dreh- und Polierstühle mit Schwungradantrieb für jeden Lehrling hergestellt.
- Später wurden von den Lehrlingen Schieblehren, Zehntelmaße und Mikrometer hergestellt. Diese Meßgeräte wurden später von Großmann fabrikmäßig hergestellt. Nach dem Tod von Großmann wurden die Meßgeräte von Mühle und Strasser & Rohde hergestellt.
- Ebenso wurden Räderschneidmaschinen hergestellt. Zur Herstellung der dazu benötigten Fräser wurde Herr Jungnickel ausgebildet.
Uhrenhersteller
Die Uhrenhersteller führten folgende Arbeiten im eigenen Hause aus:
- Federhaus gehängt
- Eingriffe gestellt
- Triebe gedreht
- Räder aufgepaßt und geschenkelt
- Zapfen gedreht
- Gesperr- und Zeigerwerkteile hergestellt
- Repassage (Platinen und Kloben in Form gefeilt)
- Gehäusepassung
- Gang gesetzt
- Werk reguliert
- Werk vergoldet
- Werk vollendet
- Uhr fertig reguliert
Im Laufe der Jahre entstanden folgende Uhrenhersteller:
- A. Lange & Söhne / Glashütte i. Sa./de (gegr. 1845)
- Adolf Schneider (gegr. 1851)
- Julius Assmann - Deutsche Anker-Uhren-Fabrik(gegr. 1852)
- Moritz Grossmann (gegr. 1854)
- Deutsche Ankeruhrenfabrik Richard Glaeser (gegr. 1885)
- B. Junge & Söhne (gegr. 1891)
- Dürrstein & Comp. - Fabrik zur Herstellung Glashütter Präzisions-Taschenuhren (gegr. 1893)
Repasseure, Aufzugmacher, Finiseure, Repetitions- bzw. Chronografenmacher, Visiteure und Regleure.
Hersteller von Werkzeugen, Maschinen, Meßtechnik
- mechanische (Lehr)Werkstatt(1846 gegründet)
- später von Großmann fabrikmäßig hergestellt
- Robert Mühle (Messwerkzeuge, 1868)
- Strasser & Rohde
- Ernst Kreissig (Mechanische Werkstatt, 1868)
- Carl-Heinrich Wolf (Uhren und Laufwerke, 1868)
Um 1895 umfaßte die Glashütter Uhrenindustrie ca. 50 Unternehmen mit etwa 250 Personen.
Die Glashütter Uhrenindustrie heute
Unter anderem sind zur Zeit folgende Unternehmen in Glashütte im Bereich der Uhr tätig:
- A. Lange & Söhne - Uhrenfertigung
- Glashütte Original - Uhrenfertigung
- Nomos - Uhrenfertigung
- Union Uhrenfabrik GmbH - Uhrenfertigung
- Mühle - Fertigung von Uhren und Nautischen Instrumenten
- Hemess - Uhrenfertigung, Uhrenrestauration, galvanische Veredelung
- SUG - Gehäusefertigung
- Bruno Söhnle - Uhrenatelier
- KronSegler GmbH - Uhrenfertigung
- Wempe Chronometerwerke Glashütte i/SA - Uhrenfertigung und Chronometerprüfstelle
- Tutima - Uhrenfertigung
Auch die Sternwarte Glashütte ist zu einer wichtigen Uhrenadresse im Ort geworden: Nachdem sie vom Hamburger Familienunternehmen Wempe saniert worden war, befindet sich dort seit dem 24. Januar 2005 eine Betriebsstätte für Uhren sowie eine unabhängige Chronometerprüfstelle, die dem Landesamt für Mess- und Eichwesen Thüringen (LMET) unterstellt ist.
Weitere interessante Informationen zur Geschichte der Uhrenstadt enthalten die Artikel:
- A. Lange & Söhne
- J. Assmann/Glashütte i.SA, Deutsche Anker-Uhren-Fabrik
- Präzisions-Uhren-Fabrik A.G.
- Deutsche Präzisionsuhrenfabrik Glashütte e.G.m.b.H
- UFAG
- UROFA
- Produktionsgemeinschaft Precis Glashütte
- VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB)
- Glashütter Uhrenbetrieb GmbH/de
- RONDA Uhrenfabrik GmbH Glashütte i. Sa.
Weiterführende Informationen
Literatur
Weblinks