Deutsche Uhrmacherschule Glashütte (DUS)
1878 auf Initiative von Karl Moritz Großmann in Glashütte gegründete Uhrmacherschule von internationalem Ruf
Die Gründung der Deutschen Uhrmacherschule
Die Ausbildung des Uhrmachernachwuchses war in starkem Maß von den Kenntnissen des ausbildenden Meisters abhängig. Das verstärkte Aufkommen von hochwertigen Präzisions- und Spezialuhren erforderte vom Handwerk nicht nur gute praktische, sondern auch theoretische Kenntnisse. Auf Anregung Großmanns fand vom 5. bis 7. September 1876 eine Tagung der deutschen Uhrmacher auf Einladung des "Vereins Berliner Uhrmacher" in Harzburg statt. Punkt vier der Tagesordnung lautete: "Würde die Gründung einer Deutschen Uhrmacherschule bzw. Fortbildungsanstalt in Glashütte machbar sein?" Auf der Tagung wurden dann lediglich die Ausführbarkeit der Einrichtung zur Diskussion gestellt, weil Glashütte von vornherein als der wohl geeignetste Ort angesehen wurde.
In Wiesbaden, auf der außerordentlichen Tagung vom 9. bis 11. September 1877, wurde der Beschluss gefasst, die Gründung der Deutschen Uhrmacherschule in Glashütte vorzunehmen. Unter Leitung von Karl Moritz Großmann bildete sich am 12. Oktober 1877 der "Ortsausschuss für die Angelegenheiten Schule". Dem Ausschuss gehörten Adolf Schneider, Julius Assmann, Richard Lange, August Gläser, Ludwig Strasser und Volksschuldirektor Schaarschmidt an. Der Umstand, dass die Sächsische Staatsregierung die Gewerbeförderung als eine ihrer wichtigsten Aufgaben ansah, sollte sich bei der Gründung der Deutschen Uhrmacherschule in Glashütte positiv auswirken. Mit finanzieller Unterstützung der Sächsischen Regierung unternahm Großmann Studienreisen zu ausländischen Schulen in Genf, Chaux-de-Fonds, Le Locle, Biel, Paris, Besançon und Cluses. Die Anregungen und Informationen, die Großmann bei diesen Reisen sammelte, flossen bei den vorbereitenden Planungen der Uhrmacherschule Glashütte mit ein.
Die Geschichte der DUS
Am 1. Mai 1878 nahm Karl Moritz Großmann im Namen des Zentralverbandes der Deutschen Uhrmacher die Eröffnung der Schule in einem feierlichen Festakt vor. Im damaligen Gemeinde-Schulhaus, in dem vorübergehend zwei Lehrsäle bereitstanden, begann am 1. Mai 1878 die Ausbildung der Uhrmacher unter Leitung des Direktors Georg Heinrich Lindemann
Auf Basis der Erfahrungswerte der ersten Jahre des Schulbetriebes erfolgte erstmals 1882 eine Anpassung und Neuregelung der Schulordnung. Bis zu dieser Änderung gehörten die Schülerarbeiten der Uhrmacherschule. Die Erlöse aus dem Verkauf dieser Arbeiten dienten zur Deckung der anfallende Kosten. Die neue Satzung sah unter anderem vor, daß die Arbeiten der Schüler in deren Besitz verbleiben.
Die Lehrzeit an der Schule betrug drei Jahre. Bereits ausgebildete Uhrmacher konnten die Schule zur Weiterbildung für ein Jahr besuchen. Der Fachabschluß für alle Schüler war der Bau einer Glashütter Taschenuhr nach Langeschem Muster. Außer Kompensationsunruhe, Spirale, Zugfeder und Lagersteine mußten alle Teile selbst hergestellt werden.
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Im Dezember 1919 besuchte der sächsische Wirtschaftsminister die Deutsch Uhrmacherschule Glashütte. Ein Grund seines Besuches war die dringend notwendige Modernisierung der Schule. Daneben wurde aber auch die Notwendigkeit einer zeitgemäßen, rationelleren theoretischen und praktischen Ausbildung betont. Am 1. April 1920 wurde Dr. Karl Giebel zum Direktor der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte berufen. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte den gesamten Lehrplan den Anforderungen der Zeit entsprechend zu verändern. So wurde der theoretische Unterricht auf den Gebieten der technischen Mechanik, der Elektrotechnik und der allgemeinbildenden Fächer erweitert. Ab 1921 wurde der Plan der räumlichen Erweiterung angegangen. Trotz großer Schwierigkeiten gelang es mit Hilfe von Bürgermeister Opitz sowie der sächsischen Staatsregierung mit dem Bau der geplanten Erweiterung im Mai 1922 zu beginnen. Die Erweiterung der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte wurde am 15. September 1923 mit der Übergabe beendet. Durch die Erweiterung wurde die Fläche der Unterrichtsräume von 345m² auf 1000m² vergrößert. Außerdem entstand ein Wohnheim mit 400m².
Die Uhrmacherschule im Dritten Reich
Als am 6. März 1934 auf der Sonderschau "Sachsens Fleiß" in Leipzig das Hitler-Tourbillon, eine Tourbillon-Uhr mit Ankerhemmung, gefertigt von den besten Schülern der Deutschen Uhrmacherschule, an das Staatsoberhaupt Deutschlands übergeben wird, ahnen nur wenige, welch grausame Verbrechen Hitler und das NS-Regime gegenüber den Völkern der Welt begehen wird. Stellvertretend für alle Opfer sei an dieser Stelle des Schicksals des niederländischen Uhrmachers Casper ten Boom und seiner Familie gedacht.
Durch die Verkündung der "Nürnberger Rassengesetze" am 15. September 1935 bahnen sich die ersten Einschnitte in der weiteren Entwicklung der Uhrmacherschule an: Weil eine Mitgliedschaft in Vereinen nur noch sogenannten "Vollariern" gestattet wird, muß die Schülervereinigung Saxonia reorganisiert werden. Sie wird am 27. Juni 1936 in "Bund ehemaliger Schüler der Deutschen Uhrmacherschule" umbenannt.
Am 1. April 1940 wird auf Betreiben des damaligen Reichsinnungsmeisters H. Flügel die DUS zur Meisterschule des Uhrmacherhandwerks erklärt. Die Feierlichkeiten dazu fanden am 19. April 1940 in Glashütte statt. Auch die Schülervereinigung wird zeitgleich in "Bund ehemaliger Schüler der Meisterschule des Uhrmacherhandwerks" umbenannt. Felix Schmidt, damals amtierender Vorsitzender der Saxonia, hielt die Laudatio zu Ehren des Reichsinnungsmeisters auf dieser Feier:
:"Sehr geehrter Herr Reichsinnungsmeister! :Im Namen des Bundes ehemaliger Schüler der Deutschen Uhrmacherschule spreche ich Ihnen die besten Wünsche zur Eröffnung der Meisterschule des Uhrmacherhandwerks aus. Es ist Ihr Werk, das nach Ihrem Plan neue Richtlinien für den Werdegang des Uhrmachermeisters geben soll. Wir wissen, daß es Ihnen eine der wertvollsten Aufgaben ist, unseren Nachwuchs vom ersten Lehrjahre an zielbewußt zu leiten. Der Abschluß dieser Ausbildung an der neuen Meisterschule wird sich in unserem gesamten Handwerk fördernd erweisen. :Mit besonderer Freude begrüßen wir ehemaligen Schüler der Deutschen Uhrmacherschule, daß es die Bildungsstätte ist, an der wir Gelegenheit hatten, unsere Ausbildung zu genießen, die Sie Herr Reichsinnungsmeister zu dieser schönen Aufgabe bestellt haben. :Nicht nur im Großdeutschen Reich, sondern fast in der ganzen Welt wohnen Mitglieder unseres Bundes, die als Handwerker ihren Beruf ausüben, oder als Fachlehrer sich der Ausbildung unserer Jugend widmen, oder an anderer beruflicher Stelle ihren Wirkungskreis haben. Sie alle werden mit Stolz erfüllt sein, von dieser neuen Kunde zu hören und sich ebenso wie wir hier im engen Kreise sich unseren Wünschen anschließen. :Gestatten Sie daher, Herr Reichsinnungsmeister, daß ich Ihnen als äußeres Zeichen unseres Dankes unter der Versicherung, daß wir jederzeit bestrebt sein werden, die Belange der neuen Meisterschule nach unseren Kräften zu fördern, zu der von Ihnen angekündigten Sammlung als erste Gabe eine Spende von 300 Mark zu überreichen. :Betrachen Sie es als kleinen Baustein zum Aufbau der neuen Meisterschule, bei deren Gestaltung mitzuhelfen wir nicht fehlen wollen!"
Die Uhrmacherschule in der DDR
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Schulbetrieb bereits im Juni 1945 wieder aufgenommen. Die Uhrmacherschule erhielt ihren ursprünglichen Namen zurück: Deutsche Uhrmacherschule Glashütte. 1950 wurde die Uhrmacherschule, die bis dahin verwaltungsmäßig der Stadt unterstanden hatte, dem Ministerium für Maschinenbau zugeordnet. Dadurch standen finanzielle Mittel für dringend notwendige Reparaturen und die Beschaffung von Lehrmitteln und Ausrüstungen für Labore und Werkstätten zur Verfügung.
1951 erfolgte die Umstrukturierung
der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte
zur Ingenieurschule für Feinwerktechnik.
1953 wurde das Schulgebäude erneut erweitert.
Die Deutsche Uhrmacherschule Glashütte bestand bis 1956 unter diesem Namen. Ab 1957 trägt sie den Namen „Ingenieurschule für Feinwerktechnik Glashütte (Sachs.)“. Am 10. Juni 1976 kommt es im oberen Stockwerk zu einem Brand durch den auch große Teile des Gebäudes durch Löschwasser beschädigt werden. Beim Wiederaufbau werden zusätzliche Internatszimmer eingebaut. Die Deutsche Uhrmacherschule Glashütte und ihre Nachfolgeeinrichtung, die Ingenieurschule für Feinwerktechnik überstehen die politische Wende von 1989 und den radikalen Umbau der ostdeutschen Industrie-und Bildungslandschaft nicht. Zum 31. Dezember 1992 wird die Einrichtung geschlossen.
Die Uhrmacherschule heute
Am 12. Dezember 2006 begannen die ersten Baumaßnahmen für das neue Deutsche Uhrenmuseum Glashütte an dem traditionsträchtigen Gebäude der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte.
Das Richtfest konnte Dank der zügig voranschreitenden Arbeiten bereits am 28. Juni 2007 auf der Baustelle begangen werden. Nach der Abtragung der oberen Etage und der Fertigstellung eines neuen Dachstuhls wurde der äußere historische Zustand des Gebäudes von 1922/23 weitgehend wieder hergestellt.
Planmäßig zum 22. Mai 2008 erfolgt die Einweihung des neuen Deutschen Uhrenmuseums Glashütte unter Einladung der Presse und zahlreicher Ehrengäste.
Seit dem 23. Mai 2008 ist das Museum auch der Öffentlichkeit wieder zugänglich.
Schülerarbeiten
Die von den Schülern der DUS gefertigten Arbeiten waren unterschiedlichster Art. Neben einer Anzahl von bestimmten Werkzeugen fertigte jeder Schüler ein Gangmodell der Ankerhemmung, ein Tastmikrometer und mindestens eine normale Ankeruhr.
Die verschiedensten Schülerarbeiten der Deutschen Uhrmacherschule sind heute interessante Beleg- und Sammlerstücke Glashütter Ursprungs und erzielen durch ihren Seltenheitswert teilweise astronomische Preise auf exclusiven Auktionen. Von 1878 bis 1951 wurden nur 4.410 Neuarbeiten angefertigt. Dazu zählen die Gangmodelle, Meßwerkzeuge und die Taschenuhren mit unterschiedlichen Abmessungen und Hemmungssystemen sowie auch Beobachtungsuhren, Chronometer und Sekundenpendeluhren.
Die 36 an der DUS in verschiedenster Ausführung gefertigten Tourbillon-Uhren tragen außer der laufenden Schulnummer zusätzlich eine Sondernummer der Uhrmacherschule.
Als letzte Schuluhr mit dem Kaliber 43 wird im Schulbuch 2 die Schülerarbeit Nr. 4.407 von Renate Jacob aufgeführt.
Die letzte Schulnummer 4.410 wurde für ein Chronometer- Gangmodell vergeben, welches als Gemeinschaftsarbeit entstanden ist.
Personen
Von 1909 bis 1919 war Hugo Müller Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte und wurde 1919 zum Vorsitzenden des Fachausschusses der DUS berufen.
Direktoren der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte (chronologisch)
- Lindemann, Heinrich 1878 bis 1885
- Strasser, Ludwig 1885 bis 1917
- Romershausen, Hermann 1917 bis 1920 (in Vertretung)
- Dr. Karl Giebel 1920 bis 1945
- Ing. Schreiber ab 1945
Lehrer der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte
Lehrer der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte nach Anfangsbuchstaben des Nachnamens:
A · B · C · D · E · F · G · H · I · J · K · L · M · N · O · P · Q · R · S · T · U · V · W · X · Y · Z
Schüler der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte
Schüler der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte nach Anfangsbuchstaben des Nachnamens:
A · B · C · D · E · F · G · H · I · J · K · L · M · N · O · P · Q · R · S · T · U · V · W · X · Y · Z
Literatur
- Die Uhrmacherschule. Einführung in die Uhrenlehre. (Lernmaterialien); Autor: Hermann Brinkmann; ISBN 3874200108
- Die Uhrmacherschule. Werkstoffe und Arbeitsverfahren. Eine Fachbuchreihe für die Berufsausbildung. (Lernmaterialien); Autor: Hermann Brinkmann; ISBN 3874200116
- Die Uhrmacherschule. Fachrechnen für Uhrmacher. (Lernmaterialien); Autor: Gustav Brümmer; ISBN 3874200124
- Die Lehre an der Deutschen Uhrmacherschule. Band I bis III mit Ergänzungsband: Das Eindrehen von Trieben und Wellen und weiteren Ergänzungen über Geschichte und Arbeiten; ISBN 3924211035
- Deutsche Uhrmacherschule Glashütte; ISBN 3924211043